Goldgrüne Wölkchen regneten heiß übers Land, und flüßiges Licht tropfte überquellend aus Rosen- und Lilien-Kelchen. Ein Stral aus einem Thau¬ tropfen schnitt herüber durch mein düsteres Meer, und durchstach glühend das Herz, und sog darin, aber das Tönen erfrischte es, daß es nicht welkte. Ich sagte laut, es regnet drüben heisse Freuden¬ thränen; nur die Liebe ist eine warme Thräne, der Haß eine kalte. -- Tief hinten im Lande stie¬ gen Welten, wie Dunstkügelchen, unter einem weit umhüllten Sonnenkörper auf. In der Mitte drehte sich ein Spinnrad um, die Sterne waren mit tausend Silberfäden daran gereihet, und es spann sie immer näher und enger vom Himmel hernieder. -- An einer Lilie hieng ein Bienen¬ schwarm. Eine Rose spielte mit einer Biene, bei¬ de nekten sich mit ihren Stacheln und ihrem Ho¬ nig. Eine schwarze Nachtblume wuchs gierig gen Himmel, und bog sich immer heftiger über, je heller es wurde; eine Spinne lief und wob ämsig im Blumenkelche, um mit Fäden die Nacht fest¬ zuhalten, ja den Leichenschleier der Welt zu spin¬ nen; aber alle Fäden wurden bethaut und schim¬
Goldgruͤne Woͤlkchen regneten heiß uͤbers Land, und fluͤßiges Licht tropfte uͤberquellend aus Roſen- und Lilien-Kelchen. Ein Stral aus einem Thau¬ tropfen ſchnitt heruͤber durch mein duͤſteres Meer, und durchſtach gluͤhend das Herz, und ſog darin, aber das Toͤnen erfriſchte es, daß es nicht welkte. Ich ſagte laut, es regnet druͤben heiſſe Freuden¬ thraͤnen; nur die Liebe iſt eine warme Thraͤne, der Haß eine kalte. — Tief hinten im Lande ſtie¬ gen Welten, wie Dunſtkuͤgelchen, unter einem weit umhuͤllten Sonnenkoͤrper auf. In der Mitte drehte ſich ein Spinnrad um, die Sterne waren mit tauſend Silberfaͤden daran gereihet, und es ſpann ſie immer naͤher und enger vom Himmel hernieder. — An einer Lilie hieng ein Bienen¬ ſchwarm. Eine Roſe ſpielte mit einer Biene, bei¬ de nekten ſich mit ihren Stacheln und ihrem Ho¬ nig. Eine ſchwarze Nachtblume wuchs gierig gen Himmel, und bog ſich immer heftiger uͤber, je heller es wurde; eine Spinne lief und wob aͤmſig im Blumenkelche, um mit Faͤden die Nacht feſt¬ zuhalten, ja den Leichenſchleier der Welt zu ſpin¬ nen; aber alle Faͤden wurden bethaut und ſchim¬
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Goldgruͤne Woͤlkchen regneten heiß uͤbers Land,
und fluͤßiges Licht tropfte uͤberquellend aus Roſen-
und Lilien-Kelchen. Ein Stral aus einem Thau¬
tropfen ſchnitt heruͤber durch mein duͤſteres Meer,
und durchſtach gluͤhend das Herz, und ſog darin,
aber das Toͤnen erfriſchte es, daß es nicht welkte.
Ich ſagte laut, es regnet druͤben heiſſe Freuden¬
thraͤnen; nur die Liebe iſt eine warme Thraͤne,
der Haß eine kalte. — Tief hinten im Lande ſtie¬
gen Welten, wie Dunſtkuͤgelchen, unter einem
weit umhuͤllten Sonnenkoͤrper auf. In der Mitte
drehte ſich ein Spinnrad um, die Sterne waren
mit tauſend Silberfaͤden daran gereihet, und es
ſpann ſie immer naͤher und enger vom Himmel
hernieder. — An einer Lilie hieng ein Bienen¬
ſchwarm. Eine Roſe ſpielte mit einer Biene, bei¬
de nekten ſich mit ihren Stacheln und ihrem Ho¬
nig. Eine ſchwarze Nachtblume wuchs gierig gen
Himmel, und bog ſich immer heftiger uͤber, je
heller es wurde; eine Spinne lief und wob aͤmſig
im Blumenkelche, um mit Faͤden die Nacht feſt¬
zuhalten, ja den Leichenſchleier der Welt zu ſpin¬
nen; aber alle Faͤden wurden bethaut und ſchim¬
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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/312>, abgerufen am 21.11.2024.
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