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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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war selig ohne recht zu wissen wie oder warum.
Seine Fackel brannte mit gerader Spitze auf in der
sonst wehenden Welt und kein Lüftchen bog sie um.
Nicht einmal einen Streckvers macht' er, aus
Flucht des Sylbenzwangs, es war ihm, als würd'
er selber gedichtet, und er fügte sich leicht in den
Rhythmus eines fremden entzückten Dichters.

In diesem innern Wolklang stand er, vor ei¬
nem sonderbaren Garten im Garten und zog fast
nur Spiels-Weise an einem Glöckchen ein wenig.
Er hatte kaum einigemale geläutet: so kam ein
reich besetzter schwerer Hofdiener ohne Hut herbei¬
gerudert, um einigen von der fürstlichen Familie
die Thüre aufzureissen, weil das Glöckchen den
Zweck einer Bedientenglocke hatte. Als aber der
vornehme Mensch nichts an der Thüre fand als
den sanften Notar: so filzte er den erstaunten
Glöckner in einer der längsten Reden, die er je ge¬
halten, aus, als hätte Walt die Sturm- und
Türkenglocke ohne Noth gezogen.

Diesem war indeß sein Inneres so leicht und
fest gewölbt, daß das Aeussere schwer eindringen
konnte, nicht mit einem Tropfen in sein leichtes

war ſelig ohne recht zu wiſſen wie oder warum.
Seine Fackel brannte mit gerader Spitze auf in der
ſonſt wehenden Welt und kein Luͤftchen bog ſie um.
Nicht einmal einen Streckvers macht' er, aus
Flucht des Sylbenzwangs, es war ihm, als wuͤrd'
er ſelber gedichtet, und er fuͤgte ſich leicht in den
Rhythmus eines fremden entzuͤckten Dichters.

In dieſem innern Wolklang ſtand er, vor ei¬
nem ſonderbaren Garten im Garten und zog faſt
nur Spiels-Weiſe an einem Gloͤckchen ein wenig.
Er hatte kaum einigemale gelaͤutet: ſo kam ein
reich beſetzter ſchwerer Hofdiener ohne Hut herbei¬
gerudert, um einigen von der fuͤrſtlichen Familie
die Thuͤre aufzureiſſen, weil das Gloͤckchen den
Zweck einer Bedientenglocke hatte. Als aber der
vornehme Menſch nichts an der Thuͤre fand als
den ſanften Notar: ſo filzte er den erſtaunten
Gloͤckner in einer der laͤngſten Reden, die er je ge¬
halten, aus, als haͤtte Walt die Sturm- und
Tuͤrkenglocke ohne Noth gezogen.

Dieſem war indeß ſein Inneres ſo leicht und
feſt gewoͤlbt, daß das Aeuſſere ſchwer eindringen
konnte, nicht mit einem Tropfen in ſein leichtes

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[46/0052] war ſelig ohne recht zu wiſſen wie oder warum. Seine Fackel brannte mit gerader Spitze auf in der ſonſt wehenden Welt und kein Luͤftchen bog ſie um. Nicht einmal einen Streckvers macht' er, aus Flucht des Sylbenzwangs, es war ihm, als wuͤrd' er ſelber gedichtet, und er fuͤgte ſich leicht in den Rhythmus eines fremden entzuͤckten Dichters. In dieſem innern Wolklang ſtand er, vor ei¬ nem ſonderbaren Garten im Garten und zog faſt nur Spiels-Weiſe an einem Gloͤckchen ein wenig. Er hatte kaum einigemale gelaͤutet: ſo kam ein reich beſetzter ſchwerer Hofdiener ohne Hut herbei¬ gerudert, um einigen von der fuͤrſtlichen Familie die Thuͤre aufzureiſſen, weil das Gloͤckchen den Zweck einer Bedientenglocke hatte. Als aber der vornehme Menſch nichts an der Thuͤre fand als den ſanften Notar: ſo filzte er den erſtaunten Gloͤckner in einer der laͤngſten Reden, die er je ge¬ halten, aus, als haͤtte Walt die Sturm- und Tuͤrkenglocke ohne Noth gezogen. Dieſem war indeß ſein Inneres ſo leicht und feſt gewoͤlbt, daß das Aeuſſere ſchwer eindringen konnte, nicht mit einem Tropfen in ſein leichtes

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/52>, abgerufen am 28.11.2024.