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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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unschuldigen Freude sah Walt keinen höflich-gro¬
ben Fraisse -- hörte keinen Geld-Werber und
Geld-Jäger, der das durch Kontrakte eingezäun¬
te Wild pürscht, keinen aus den fünf (Mosis-
Bücher-) Klassen der Gläubiger, die uns ewig
an die Lebens-Darre und Dörrsucht erinnern --
hier hört' er nur Liederchen und Sprünge; hier
waren ganze Sackgäßchen aus dem neuen Je¬
rusalem. Denn was aus dem alten theils von
Juden, theils von Christen einwanderte, konnt'
er nicht hören, weil Flitte sich von seinen Arse¬
nikkönigen der Metalle, den Gläubigern, blos in
einem fernen Schmollwinkel vergiften ließ. Im
ersten Stockwerke wohnte die streitende Kirche,
Flitte und die Könige; im dritten die triumphiren¬
de, Flitte und Walt.

Indeß brachte der Notar es doch nicht so
weit, daß er gar nichts gemerkt hätte. "Ich
wollt', ich wäre kurzsichtiger, (sagt' er sich);
bedenkt man, wie froh und freigebig der gute
Mensch schon ist in Drangsalen und wie ers
vollends wäre ohne die geringsten Qualen -- denn
wahrlich gewisse Menschen hätten Tugend, wenn

unſchuldigen Freude ſah Walt keinen hoͤflich-gro¬
ben Fraiſſe — hoͤrte keinen Geld-Werber und
Geld-Jaͤger, der das durch Kontrakte eingezaͤun¬
te Wild puͤrſcht, keinen aus den fuͤnf (Moſis-
Buͤcher-) Klaſſen der Glaͤubiger, die uns ewig
an die Lebens-Darre und Doͤrrſucht erinnern —
hier hoͤrt' er nur Liederchen und Spruͤnge; hier
waren ganze Sackgaͤßchen aus dem neuen Je¬
ruſalem. Denn was aus dem alten theils von
Juden, theils von Chriſten einwanderte, konnt'
er nicht hoͤren, weil Flitte ſich von ſeinen Arſe¬
nikkoͤnigen der Metalle, den Glaͤubigern, blos in
einem fernen Schmollwinkel vergiften ließ. Im
erſten Stockwerke wohnte die ſtreitende Kirche,
Flitte und die Koͤnige; im dritten die triumphiren¬
de, Flitte und Walt.

Indeß brachte der Notar es doch nicht ſo
weit, daß er gar nichts gemerkt haͤtte. „Ich
wollt', ich waͤre kurzſichtiger, (ſagt' er ſich);
bedenkt man, wie froh und freigebig der gute
Menſch ſchon iſt in Drangſalen und wie ers
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[60/0066] unſchuldigen Freude ſah Walt keinen hoͤflich-gro¬ ben Fraiſſe — hoͤrte keinen Geld-Werber und Geld-Jaͤger, der das durch Kontrakte eingezaͤun¬ te Wild puͤrſcht, keinen aus den fuͤnf (Moſis- Buͤcher-) Klaſſen der Glaͤubiger, die uns ewig an die Lebens-Darre und Doͤrrſucht erinnern — hier hoͤrt' er nur Liederchen und Spruͤnge; hier waren ganze Sackgaͤßchen aus dem neuen Je¬ ruſalem. Denn was aus dem alten theils von Juden, theils von Chriſten einwanderte, konnt' er nicht hoͤren, weil Flitte ſich von ſeinen Arſe¬ nikkoͤnigen der Metalle, den Glaͤubigern, blos in einem fernen Schmollwinkel vergiften ließ. Im erſten Stockwerke wohnte die ſtreitende Kirche, Flitte und die Koͤnige; im dritten die triumphiren¬ de, Flitte und Walt. Indeß brachte der Notar es doch nicht ſo weit, daß er gar nichts gemerkt haͤtte. „Ich wollt', ich waͤre kurzſichtiger, (ſagt' er ſich); bedenkt man, wie froh und freigebig der gute Menſch ſchon iſt in Drangſalen und wie ers vollends waͤre ohne die geringſten Qualen — denn wahrlich gewiſſe Menſchen haͤtten Tugend, wenn

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/66>, abgerufen am 27.11.2024.