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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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war schon zu regieren -- und daß die schönsten
Düfte und namenlosesten Möbeln jede Ecke
schmückten: "hätt ich aber dieß sonst als Bauern¬
sohn aus Elterlein denken sollen?" dacht' er.

Flitte zog nun das Elfenbein und das Far¬
benkästchen hervor und erklärte dem Modelle, je
freier und belebter es sitze, desto besser glück' es
dem Maler. Indeß hätte sie eben so gut auf dem
Nordpol sitzen können, er aber auf dem Südpol
kleben: die Aehnlichkeit wär' ihm nicht anders
gelungen; er, überhaupt kein malerischer Treffer,
wollte nichts treffen als das, was sie anhatte.
Sie setzte sich hin und verfertigte das Sitz-Gesicht,
das die Mädchen unter dem Malen schneiden. Die
noble masque, womit sich alsdann der Mensch
überstülpen will, ist das Kälteste, wozu er je sein
Gesicht aushauet, so daß seltner Menschen als
ihre Büsten portraitirt werden. Dieses Gesicht
heißet in weiblichen Pensions-Anstalten das Sitz-
Gesicht der Mädchen; -- dann kommt das ge¬
spannte Frisiergesicht -- dann das essende Butter¬
brod-Gesicht, eines der breitesten -- endlich zwei
Ballgesichter, das eine, die Wetterseite, für die

Flegeljahre IV. Bd. 5

war ſchon zu regieren — und daß die ſchoͤnſten
Duͤfte und namenloſeſten Moͤbeln jede Ecke
ſchmuͤckten: „haͤtt ich aber dieß ſonſt als Bauern¬
ſohn aus Elterlein denken ſollen?“ dacht' er.

Flitte zog nun das Elfenbein und das Far¬
benkaͤſtchen hervor und erklaͤrte dem Modelle, je
freier und belebter es ſitze, deſto beſſer gluͤck' es
dem Maler. Indeß haͤtte ſie eben ſo gut auf dem
Nordpol ſitzen koͤnnen, er aber auf dem Suͤdpol
kleben: die Aehnlichkeit waͤr' ihm nicht anders
gelungen; er, uͤberhaupt kein maleriſcher Treffer,
wollte nichts treffen als das, was ſie anhatte.
Sie ſetzte ſich hin und verfertigte das Sitz-Geſicht,
das die Maͤdchen unter dem Malen ſchneiden. Die
noble masque, womit ſich alsdann der Menſch
uͤberſtuͤlpen will, iſt das Kaͤlteſte, wozu er je ſein
Geſicht aushauet, ſo daß ſeltner Menſchen als
ihre Buͤſten portraitirt werden. Dieſes Geſicht
heißet in weiblichen Penſions-Anſtalten das Sitz-
Geſicht der Maͤdchen; — dann kommt das ge¬
ſpannte Friſiergeſicht — dann das eſſende Butter¬
brod-Geſicht, eines der breiteſten — endlich zwei
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Flegeljahre IV. Bd. 5
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[65/0071] war ſchon zu regieren — und daß die ſchoͤnſten Duͤfte und namenloſeſten Moͤbeln jede Ecke ſchmuͤckten: „haͤtt ich aber dieß ſonſt als Bauern¬ ſohn aus Elterlein denken ſollen?“ dacht' er. Flitte zog nun das Elfenbein und das Far¬ benkaͤſtchen hervor und erklaͤrte dem Modelle, je freier und belebter es ſitze, deſto beſſer gluͤck' es dem Maler. Indeß haͤtte ſie eben ſo gut auf dem Nordpol ſitzen koͤnnen, er aber auf dem Suͤdpol kleben: die Aehnlichkeit waͤr' ihm nicht anders gelungen; er, uͤberhaupt kein maleriſcher Treffer, wollte nichts treffen als das, was ſie anhatte. Sie ſetzte ſich hin und verfertigte das Sitz-Geſicht, das die Maͤdchen unter dem Malen ſchneiden. Die noble masque, womit ſich alsdann der Menſch uͤberſtuͤlpen will, iſt das Kaͤlteſte, wozu er je ſein Geſicht aushauet, ſo daß ſeltner Menſchen als ihre Buͤſten portraitirt werden. Dieſes Geſicht heißet in weiblichen Penſions-Anſtalten das Sitz- Geſicht der Maͤdchen; — dann kommt das ge¬ ſpannte Friſiergeſicht — dann das eſſende Butter¬ brod-Geſicht, eines der breiteſten — endlich zwei Ballgeſichter, das eine, die Wetterſeite, fuͤr die Flegeljahre IV. Bd. 5

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/71>, abgerufen am 26.11.2024.