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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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ging; er nahm sie aber für Ueberreste voriger Rüh¬
rung. Dem Trinkliede nachher setzte Vult meh¬
rere Languido's-Halte, gleichsam schwarz und
weisse Trauerschneppen an. Der Widerstreit pre߬
te den Zuhörern einen gelinden Angstschweiß aus,
der eben, wie Vult fest behauptete, ein Gesicht,
das sitze, beseele.

Aber plötzlich trat ein ganz anderer Miß-
und Dur-Ton, der vier Fuß lang war, höflich
mit dem Hut in der Hand ins Zimmer. Es kam
nämlich der Reisediener des Kauf-Herrns in Mar¬
seille, bei welchem Flitte lange gewesen, und
präsentirte ihm einen fälligen Wechsel, den er auf
sich ausgestellt.

Flitte verlor die Farben, die er Raphaelen
geliehen, und verstummte ein wenig, und wurde
wieder reich an rother. Endlich fragte er den
Reisediener: "warum er so spät am Verfalltage
komme? Jetzt hab' er eben nichts." Der Diener
lächelte und sagte, er habe ihn vergeblich gesucht
zu seinem Verdruße, denn er müsse jede Minute
fort, so bald er die Valuta habe. Flitte zog ihn

gen Sylben aus Haydn's 7 Worten zur Seite
ging; er nahm ſie aber fuͤr Ueberreſte voriger Ruͤh¬
rung. Dem Trinkliede nachher ſetzte Vult meh¬
rere Languido's-Halte, gleichſam ſchwarz und
weiſſe Trauerſchneppen an. Der Widerſtreit pre߬
te den Zuhoͤrern einen gelinden Angſtſchweiß aus,
der eben, wie Vult feſt behauptete, ein Geſicht,
das ſitze, beſeele.

Aber ploͤtzlich trat ein ganz anderer Miß-
und Dur-Ton, der vier Fuß lang war, hoͤflich
mit dem Hut in der Hand ins Zimmer. Es kam
naͤmlich der Reiſediener des Kauf-Herrns in Mar¬
ſeille, bei welchem Flitte lange geweſen, und
praͤſentirte ihm einen faͤlligen Wechſel, den er auf
ſich ausgeſtellt.

Flitte verlor die Farben, die er Raphaelen
geliehen, und verſtummte ein wenig, und wurde
wieder reich an rother. Endlich fragte er den
Reiſediener: „warum er ſo ſpaͤt am Verfalltage
komme? Jetzt hab' er eben nichts.” Der Diener
laͤchelte und ſagte, er habe ihn vergeblich geſucht
zu ſeinem Verdruße, denn er muͤſſe jede Minute
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[78/0084] gen Sylben aus Haydn's 7 Worten zur Seite ging; er nahm ſie aber fuͤr Ueberreſte voriger Ruͤh¬ rung. Dem Trinkliede nachher ſetzte Vult meh¬ rere Languido's-Halte, gleichſam ſchwarz und weiſſe Trauerſchneppen an. Der Widerſtreit pre߬ te den Zuhoͤrern einen gelinden Angſtſchweiß aus, der eben, wie Vult feſt behauptete, ein Geſicht, das ſitze, beſeele. Aber ploͤtzlich trat ein ganz anderer Miß- und Dur-Ton, der vier Fuß lang war, hoͤflich mit dem Hut in der Hand ins Zimmer. Es kam naͤmlich der Reiſediener des Kauf-Herrns in Mar¬ ſeille, bei welchem Flitte lange geweſen, und praͤſentirte ihm einen faͤlligen Wechſel, den er auf ſich ausgeſtellt. Flitte verlor die Farben, die er Raphaelen geliehen, und verſtummte ein wenig, und wurde wieder reich an rother. Endlich fragte er den Reiſediener: „warum er ſo ſpaͤt am Verfalltage komme? Jetzt hab' er eben nichts.” Der Diener laͤchelte und ſagte, er habe ihn vergeblich geſucht zu ſeinem Verdruße, denn er muͤſſe jede Minute fort, ſo bald er die Valuta habe. Flitte zog ihn

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/84>, abgerufen am 25.11.2024.