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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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aus dem Zimmer auf Ein Wort; aber fast noch
unter dem Worte trat der Fremde wieder mit ge¬
zuckten Achseln ein und sagte: "entweder -- oder
--; in Haßlau gilt das sächsische Wechselrecht."
Lieber fuhr Flitte in die Hölle, welche wenigstens
gesellig ist, als in die Einsiedelei des Kerkers;
dennoch lief er ohne eine sanfte Miene auf und
ab und murmelte fluchende Angriffe; endlich sagt'
er französisch Raphaelen etwas ins Ohr. Diese
bat den Reisediener so lange um Geduld, bis eine
Antwort auf ein Blättchen von ihr zurück sei; es
war eine Bitte an ihren Vater um Geld oder
Bürgschaft.

Flitte setzte sich wieder zum Malen mit jener
Folie des Stolzes nieder, wovon der Diener ei¬
gentlich den Juwel besaß. Walt jammerte leise
und flatterte so ängstlich um den Bauer, als
Flitte in demselben und folgte jedem Umherschies¬
sen des eingekerkerten Vogels aussen am Gitter
nach. Vult beobachtete scharf den gewandten
Diener: "sollt' ich Sie nicht, sagt' er, in der
Gegend von Spolletto schon gesehen haben, wo¬
von die alten Römer, wie bekannt, die Opfer-

aus dem Zimmer auf Ein Wort; aber faſt noch
unter dem Worte trat der Fremde wieder mit ge¬
zuckten Achſeln ein und ſagte: „entweder — oder
—; in Haßlau gilt das ſaͤchſiſche Wechſelrecht.“
Lieber fuhr Flitte in die Hoͤlle, welche wenigſtens
geſellig iſt, als in die Einſiedelei des Kerkers;
dennoch lief er ohne eine ſanfte Miene auf und
ab und murmelte fluchende Angriffe; endlich ſagt'
er franzoͤſiſch Raphaelen etwas ins Ohr. Dieſe
bat den Reiſediener ſo lange um Geduld, bis eine
Antwort auf ein Blaͤttchen von ihr zuruͤck ſei; es
war eine Bitte an ihren Vater um Geld oder
Buͤrgſchaft.

Flitte ſetzte ſich wieder zum Malen mit jener
Folie des Stolzes nieder, wovon der Diener ei¬
gentlich den Juwel beſaß. Walt jammerte leiſe
und flatterte ſo aͤngſtlich um den Bauer, als
Flitte in demſelben und folgte jedem Umherſchieſ¬
ſen des eingekerkerten Vogels auſſen am Gitter
nach. Vult beobachtete ſcharf den gewandten
Diener: „ſollt' ich Sie nicht, ſagt' er, in der
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[79/0085] aus dem Zimmer auf Ein Wort; aber faſt noch unter dem Worte trat der Fremde wieder mit ge¬ zuckten Achſeln ein und ſagte: „entweder — oder —; in Haßlau gilt das ſaͤchſiſche Wechſelrecht.“ Lieber fuhr Flitte in die Hoͤlle, welche wenigſtens geſellig iſt, als in die Einſiedelei des Kerkers; dennoch lief er ohne eine ſanfte Miene auf und ab und murmelte fluchende Angriffe; endlich ſagt' er franzoͤſiſch Raphaelen etwas ins Ohr. Dieſe bat den Reiſediener ſo lange um Geduld, bis eine Antwort auf ein Blaͤttchen von ihr zuruͤck ſei; es war eine Bitte an ihren Vater um Geld oder Buͤrgſchaft. Flitte ſetzte ſich wieder zum Malen mit jener Folie des Stolzes nieder, wovon der Diener ei¬ gentlich den Juwel beſaß. Walt jammerte leiſe und flatterte ſo aͤngſtlich um den Bauer, als Flitte in demſelben und folgte jedem Umherſchieſ¬ ſen des eingekerkerten Vogels auſſen am Gitter nach. Vult beobachtete ſcharf den gewandten Diener: „ſollt' ich Sie nicht, ſagt' er, in der Gegend von Spolletto ſchon geſehen haben, wo¬ von die alten Roͤmer, wie bekannt, die Opfer-

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/85>, abgerufen am 25.11.2024.