mer ein musikalischer Armsessel, den man im Grunde mit nichts spielte als mit dem Steis: sobald man sich hineinsetzte, fieng er seine Ouvertüre an und ich saß einmal beim Fürsten Esterhaz in so ei¬ nem. Unser Maz -- so nennt ihn das ganze bürger¬ liche Flachsenfingen; einige Kanzleiverwandte heißen ihn auch den Evangelisten -- bestellte den Abbate um zwei Stunden zu bald; setzte aber, damit der Mann mit der tonsurirten Perücke nicht vom Passen ermattete, vorher den musizirenden Sessel hinein, als Ruhebank und Ankerplatz für matte Expektanten. Gegen drei Uhr Nachts, als die Gesellschaft fort war, ausgenommen den Oberhofmeister, senkte der stehens-satte Gewissensrath seinen Rumpf endlich in den mit Favoritarien ausgepolsterten Sorgestuhl und weckte mit seinen Hosen die ganze Trauermusik und deren Mordanten darin auf, ohne die geringste Mög¬ lichkeit, das Kabinet-Stäudgen dieses Weckers zu stillen. Der Ehegemahl ging endlich wie ein Hering, den Finalkadenzen nach und zog den mitten im Kon¬ trapunkt und in Praltrillern seshaften Gewissens¬ mann aus seinem Orgelstuhl und versalzte ihm den Wachtelruf, glaub' ich, durch kommandirte Prügel. Die Oberhofmeisterin errieth leicht den Meister von Stuhl, Mazen; aber so sehr gewöhnlich ist Verzei¬ hung am Hofe -- nicht blos vergangne Beleidi¬ gungen werden da von guten Weiberseelen vergeben,
mer ein muſikaliſcher Armſeſſel, den man im Grunde mit nichts ſpielte als mit dem Steis: ſobald man ſich hineinſetzte, fieng er ſeine Ouvertuͤre an und ich ſaß einmal beim Fuͤrſten Eſterhaz in ſo ei¬ nem. Unſer Maz — ſo nennt ihn das ganze buͤrger¬ liche Flachſenfingen; einige Kanzleiverwandte heißen ihn auch den Evangeliſten — beſtellte den Abbate um zwei Stunden zu bald; ſetzte aber, damit der Mann mit der tonſurirten Peruͤcke nicht vom Paſſen ermattete, vorher den muſizirenden Seſſel hinein, als Ruhebank und Ankerplatz fuͤr matte Expektanten. Gegen drei Uhr Nachts, als die Geſellſchaft fort war, ausgenommen den Oberhofmeiſter, ſenkte der ſtehens-ſatte Gewiſſensrath ſeinen Rumpf endlich in den mit Favoritarien ausgepolſterten Sorgeſtuhl und weckte mit ſeinen Hoſen die ganze Trauermuſik und deren Mordanten darin auf, ohne die geringſte Moͤg¬ lichkeit, das Kabinet-Staͤudgen dieſes Weckers zu ſtillen. Der Ehegemahl ging endlich wie ein Hering, den Finalkadenzen nach und zog den mitten im Kon¬ trapunkt und in Praltrillern ſeshaften Gewiſſens¬ mann aus ſeinem Orgelſtuhl und verſalzte ihm den Wachtelruf, glaub' ich, durch kommandirte Pruͤgel. Die Oberhofmeiſterin errieth leicht den Meiſter von Stuhl, Mazen; aber ſo ſehr gewoͤhnlich iſt Verzei¬ hung am Hofe — nicht blos vergangne Beleidi¬ gungen werden da von guten Weiberſeelen vergeben,
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mer ein muſikaliſcher Armſeſſel, den man im Grunde
mit nichts ſpielte als mit dem Steis: ſobald man
ſich hineinſetzte, fieng er ſeine Ouvertuͤre an
und ich ſaß einmal beim Fuͤrſten Eſterhaz in ſo ei¬
nem. Unſer Maz — ſo nennt ihn das ganze buͤrger¬
liche Flachſenfingen; einige Kanzleiverwandte heißen
ihn auch den Evangeliſten — beſtellte den Abbate
um zwei Stunden zu bald; ſetzte aber, damit der
Mann mit der tonſurirten Peruͤcke nicht vom Paſſen
ermattete, vorher den muſizirenden Seſſel hinein, als
Ruhebank und Ankerplatz fuͤr matte Expektanten.
Gegen drei Uhr Nachts, als die Geſellſchaft fort
war, ausgenommen den Oberhofmeiſter, ſenkte der
ſtehens-ſatte Gewiſſensrath ſeinen Rumpf endlich in
den mit Favoritarien ausgepolſterten Sorgeſtuhl und
weckte mit ſeinen Hoſen die ganze Trauermuſik und
deren Mordanten darin auf, ohne die geringſte Moͤg¬
lichkeit, das Kabinet-Staͤudgen dieſes Weckers zu
ſtillen. Der Ehegemahl ging endlich wie ein Hering,
den Finalkadenzen nach und zog den mitten im Kon¬
trapunkt und in Praltrillern ſeshaften Gewiſſens¬
mann aus ſeinem Orgelſtuhl und verſalzte ihm den
Wachtelruf, glaub' ich, durch kommandirte Pruͤgel.
Die Oberhofmeiſterin errieth leicht den Meiſter von
Stuhl, Mazen; aber ſo ſehr gewoͤhnlich iſt Verzei¬
hung am Hofe — nicht blos vergangne Beleidi¬
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/117>, abgerufen am 04.12.2024.
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