sondern auch zukünftige, -- daß die Hofmeiste¬ rin sich doch nicht eher an Mazen rächte -- ob er gleich noch drittehalb Wochen ihr diente -- als eben nach drittehalb Wochen. . .
Viktor zürnte über Flamins Gelächter; er liebte Laune, aber keine Neckerei. Sein versüstes Blut fieng, durch diese Essigmutter allmählig zu ver¬ säuern an gegen diesen Maz, dessen kalte ironische Galanterie gegen die ehrliche Agathe ihn schon em¬ pörte, deren phlegmatischer gleichsam verheiratheter Puls übrigens in Mazens Ab- und Anwesenheit die¬ selben Schläge that. Noch mehr Sodbrennen und Säure sammelte sich in Viktors Herzen, weil er -- der alles tolerirte, Eitle, Stolze, Atheisten, Schwär¬ mer -- gleichwohl keine Menschen dulden konnte, die die Tugend für eine Art von feiner Proviant¬ bäckerei ansehen, die Wollust für erlaubt, den Geist für einen Almosensammler des Leibes, das Herz für eine Blutspritze und unsere Seele für einen neuen Holztrieb des Körpers. Dieses that Matthieu, der noch dazu Neigung zum Philosophiren hatte und der den Freund Viktors, welcher ohnehin gegen die ganze Dichter- und Geisterwelt so kalt war wie ein Staats¬ mann, mit seinem philosophischen Krebsgifte zu infi¬ ziren drohte.
Abends suchte er ein wenig näher an Flamins Gehör in die zweite Trompete der Fama gegen den
ſondern auch zukuͤnftige, — daß die Hofmeiſte¬ rin ſich doch nicht eher an Mazen raͤchte — ob er gleich noch drittehalb Wochen ihr diente — als eben nach drittehalb Wochen. . .
Viktor zuͤrnte uͤber Flamins Gelaͤchter; er liebte Laune, aber keine Neckerei. Sein verſuͤſtes Blut fieng, durch dieſe Eſſigmutter allmaͤhlig zu ver¬ ſaͤuern an gegen dieſen Maz, deſſen kalte ironiſche Galanterie gegen die ehrliche Agathe ihn ſchon em¬ poͤrte, deren phlegmatiſcher gleichſam verheiratheter Puls uͤbrigens in Mazens Ab- und Anweſenheit die¬ ſelben Schlaͤge that. Noch mehr Sodbrennen und Saͤure ſammelte ſich in Viktors Herzen, weil er — der alles tolerirte, Eitle, Stolze, Atheiſten, Schwaͤr¬ mer — gleichwohl keine Menſchen dulden konnte, die die Tugend fuͤr eine Art von feiner Proviant¬ baͤckerei anſehen, die Wolluſt fuͤr erlaubt, den Geiſt fuͤr einen Almoſenſammler des Leibes, das Herz fuͤr eine Blutſpritze und unſere Seele fuͤr einen neuen Holztrieb des Koͤrpers. Dieſes that Matthieu, der noch dazu Neigung zum Philoſophiren hatte und der den Freund Viktors, welcher ohnehin gegen die ganze Dichter- und Geiſterwelt ſo kalt war wie ein Staats¬ mann, mit ſeinem philoſophiſchen Krebsgifte zu infi¬ ziren drohte.
Abends ſuchte er ein wenig naͤher an Flamins Gehoͤr in die zweite Trompete der Fama gegen den
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ſondern auch zukuͤnftige, — daß die Hofmeiſte¬
rin ſich doch nicht eher an Mazen raͤchte — ob er
gleich noch drittehalb Wochen ihr diente — als
eben nach drittehalb Wochen. . .
Viktor zuͤrnte uͤber Flamins Gelaͤchter; er liebte
Laune, aber keine Neckerei. Sein verſuͤſtes Blut
fieng, durch dieſe Eſſigmutter allmaͤhlig zu ver¬
ſaͤuern an gegen dieſen Maz, deſſen kalte ironiſche
Galanterie gegen die ehrliche Agathe ihn ſchon em¬
poͤrte, deren phlegmatiſcher gleichſam verheiratheter
Puls uͤbrigens in Mazens Ab- und Anweſenheit die¬
ſelben Schlaͤge that. Noch mehr Sodbrennen und
Saͤure ſammelte ſich in Viktors Herzen, weil er —
der alles tolerirte, Eitle, Stolze, Atheiſten, Schwaͤr¬
mer — gleichwohl keine Menſchen dulden konnte,
die die Tugend fuͤr eine Art von feiner Proviant¬
baͤckerei anſehen, die Wolluſt fuͤr erlaubt, den Geiſt
fuͤr einen Almoſenſammler des Leibes, das Herz fuͤr
eine Blutſpritze und unſere Seele fuͤr einen neuen
Holztrieb des Koͤrpers. Dieſes that Matthieu, der
noch dazu Neigung zum Philoſophiren hatte und der
den Freund Viktors, welcher ohnehin gegen die ganze
Dichter- und Geiſterwelt ſo kalt war wie ein Staats¬
mann, mit ſeinem philoſophiſchen Krebsgifte zu infi¬
ziren drohte.
Abends ſuchte er ein wenig naͤher an Flamins
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/118>, abgerufen am 04.12.2024.
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