ten von Viktor; aber der verhaltene Jubel sprengte ihm fast die zugebundene Ader auf. Viktor hatte keine Zeit, zu widerlegen; sondern eilte mit einer solchen Bothschaft an das rechte Herz, in das sie gehörte -- ans mütterliche. Die Mutter konnte ihren Mund zu nichts als einem seeligen Lächeln öf¬ nen, in das die Augen ihre Freudentropfen gossen. In der Natur ist keine Freude so erhaben rührend als die Freude einer Mutter über das Glück eines Kindes. Aber der Sohn, in dessen heutiger Seele dieser Sonnenblick des Schicksals nöthig war, wurde in der Ueberraschung nicht sogleich gefunden.
Der Lord sprach unterdessen mit Klotilden wie mit seiner Tochter und gab ihr einen Brief von ih¬ rer Mutter und die Nachricht seiner nahen Abreise. Sein von Achtung geleitetes und von Feinheit ver schönertes männliches Wohlwollen veredelte ihre Auf merksamkeit auf seine Minen, und als sie aus dem warmen leisen Gespräch mit glänzenden Augen ging, war ihre hohe Gestalt, die sich sonst ein wenig bückte, von einer Begeisterung zum erhabnen Wuchse auf¬ gerichtet, und sie stand unendlich schön in dem Tem¬ pel der Natur wie eine Priesterin dieses Tempels. -- Der Lord entfernte sich von ihr. -- Sie fand Flamin am Tulpen-K und die Göttin des Glücks erschien ihm in der holdesten parastatischen Gestalt, um ihm ihr Geschenk zu liefern. Freilich
ten von Viktor; aber der verhaltene Jubel ſprengte ihm faſt die zugebundene Ader auf. Viktor hatte keine Zeit, zu widerlegen; ſondern eilte mit einer ſolchen Bothſchaft an das rechte Herz, in das ſie gehoͤrte — ans muͤtterliche. Die Mutter konnte ihren Mund zu nichts als einem ſeeligen Laͤcheln oͤf¬ nen, in das die Augen ihre Freudentropfen goſſen. In der Natur iſt keine Freude ſo erhaben ruͤhrend als die Freude einer Mutter uͤber das Gluͤck eines Kindes. Aber der Sohn, in deſſen heutiger Seele dieſer Sonnenblick des Schickſals noͤthig war, wurde in der Ueberraſchung nicht ſogleich gefunden.
Der Lord ſprach unterdeſſen mit Klotilden wie mit ſeiner Tochter und gab ihr einen Brief von ih¬ rer Mutter und die Nachricht ſeiner nahen Abreiſe. Sein von Achtung geleitetes und von Feinheit ver ſchoͤnertes maͤnnliches Wohlwollen veredelte ihre Auf merkſamkeit auf ſeine Minen, und als ſie aus dem warmen leiſen Geſpraͤch mit glaͤnzenden Augen ging, war ihre hohe Geſtalt, die ſich ſonſt ein wenig buͤckte, von einer Begeiſterung zum erhabnen Wuchſe auf¬ gerichtet, und ſie ſtand unendlich ſchoͤn in dem Tem¬ pel der Natur wie eine Prieſterin dieſes Tempels. — Der Lord entfernte ſich von ihr. — Sie fand Flamin am Tulpen-K und die Goͤttin des Gluͤcks erſchien ihm in der holdeſten paraſtatiſchen Geſtalt, um ihm ihr Geſchenk zu liefern. Freilich
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ten von Viktor; aber der verhaltene Jubel ſprengte
ihm faſt die zugebundene Ader auf. Viktor hatte
keine Zeit, zu widerlegen; ſondern eilte mit einer
ſolchen Bothſchaft an das rechte Herz, in das ſie
gehoͤrte — ans muͤtterliche. Die Mutter konnte
ihren Mund zu nichts als einem ſeeligen Laͤcheln oͤf¬
nen, in das die Augen ihre Freudentropfen goſſen.
In der Natur iſt keine Freude ſo erhaben ruͤhrend
als die Freude einer Mutter uͤber das Gluͤck eines
Kindes. Aber der Sohn, in deſſen heutiger Seele
dieſer Sonnenblick des Schickſals noͤthig war, wurde
in der Ueberraſchung nicht ſogleich gefunden.
Der Lord ſprach unterdeſſen mit Klotilden wie
mit ſeiner Tochter und gab ihr einen Brief von ih¬
rer Mutter und die Nachricht ſeiner nahen Abreiſe.
Sein von Achtung geleitetes und von Feinheit ver
ſchoͤnertes maͤnnliches Wohlwollen veredelte ihre Auf
merkſamkeit auf ſeine Minen, und als ſie aus dem
warmen leiſen Geſpraͤch mit glaͤnzenden Augen ging,
war ihre hohe Geſtalt, die ſich ſonſt ein wenig buͤckte,
von einer Begeiſterung zum erhabnen Wuchſe auf¬
gerichtet, und ſie ſtand unendlich ſchoͤn in dem Tem¬
pel der Natur wie eine Prieſterin dieſes Tempels.
— Der Lord entfernte ſich von ihr. — Sie
fand Flamin am Tulpen-K und die Goͤttin des
Gluͤcks erſchien ihm in der holdeſten paraſtatiſchen
Geſtalt, um ihm ihr Geſchenk zu liefern. Freilich
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/152>, abgerufen am 23.11.2024.
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