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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795.

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schweren Busen heilend an. -- In dieser engen
Nähe, durch die mit dem Monde alternirende Nacht
abgeschieden von der Natur mußte man zur Nach¬
barschaft, zum alten Klaviere flüchten. Klotildens
Stimme konnte das Flötenakkompagnement des äus¬
sern Regen-Gelispels seyn. Die Pfarrerin bat sie
darum und zwar um ihre Lieblingsarie aus Benda's
Romeo: "vielleicht verlohrne Ruh' vielleicht find'
"ich dich im Grabe wieder" etc. ein Lied, dessen Tö¬
ne wie feine auflösende Düfte in das Herz durch
tausend Poren dringen, und darin beben und immer
stärker beben bis sie es endlich zerzittern und nichts
von ihm in der harmonischen Vernichtung übrig
lassen als Thränen.

Klotilde willigte ohne zögernde Eitelkeit in das
Singen ein. Aber für Sebastian, in dem alle Töne
an nackte zitternde Fühlfäden schlugen und der sich
schon mit den Gesängen der Hirten auf dem Felde
traurig machen konnte, war dieses an einem solchen
Abend für sein Herz zu viel: während der musikali¬
schen Aufmerksamkeit der andern mußt' er zur Thür
hinausgehen. . . .

Aber hier unter dem großen Nachthimmel kön¬
nen unter höhere Tropfen ungesehen feine fallen --
Welche Nacht! -- Hier schlägt ein Glanz über ihn
zusammen, der Nacht und Himmel und Erde an ein¬
ander reiht, die magische Natur drängt sich mit

ſchweren Buſen heilend an. — In dieſer engen
Naͤhe, durch die mit dem Monde alternirende Nacht
abgeſchieden von der Natur mußte man zur Nach¬
barſchaft, zum alten Klaviere fluͤchten. Klotildens
Stimme konnte das Floͤtenakkompagnement des aͤuſ¬
ſern Regen-Geliſpels ſeyn. Die Pfarrerin bat ſie
darum und zwar um ihre Lieblingsarie aus Benda's
Romeo: »vielleicht verlohrne Ruh' vielleicht find'
»ich dich im Grabe wieder« ꝛc. ein Lied, deſſen Toͤ¬
ne wie feine aufloͤſende Duͤfte in das Herz durch
tauſend Poren dringen, und darin beben und immer
ſtaͤrker beben bis ſie es endlich zerzittern und nichts
von ihm in der harmoniſchen Vernichtung uͤbrig
laſſen als Thraͤnen.

Klotilde willigte ohne zoͤgernde Eitelkeit in das
Singen ein. Aber fuͤr Sebaſtian, in dem alle Toͤne
an nackte zitternde Fuͤhlfaͤden ſchlugen und der ſich
ſchon mit den Geſaͤngen der Hirten auf dem Felde
traurig machen konnte, war dieſes an einem ſolchen
Abend fuͤr ſein Herz zu viel: waͤhrend der muſikali¬
ſchen Aufmerkſamkeit der andern mußt' er zur Thuͤr
hinausgehen. . . .

Aber hier unter dem großen Nachthimmel koͤn¬
nen unter hoͤhere Tropfen ungeſehen feine fallen —
Welche Nacht! — Hier ſchlaͤgt ein Glanz uͤber ihn
zuſammen, der Nacht und Himmel und Erde an ein¬
ander reiht, die magiſche Natur draͤngt ſich mit

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[152/0163] ſchweren Buſen heilend an. — In dieſer engen Naͤhe, durch die mit dem Monde alternirende Nacht abgeſchieden von der Natur mußte man zur Nach¬ barſchaft, zum alten Klaviere fluͤchten. Klotildens Stimme konnte das Floͤtenakkompagnement des aͤuſ¬ ſern Regen-Geliſpels ſeyn. Die Pfarrerin bat ſie darum und zwar um ihre Lieblingsarie aus Benda's Romeo: »vielleicht verlohrne Ruh' vielleicht find' »ich dich im Grabe wieder« ꝛc. ein Lied, deſſen Toͤ¬ ne wie feine aufloͤſende Duͤfte in das Herz durch tauſend Poren dringen, und darin beben und immer ſtaͤrker beben bis ſie es endlich zerzittern und nichts von ihm in der harmoniſchen Vernichtung uͤbrig laſſen als Thraͤnen. Klotilde willigte ohne zoͤgernde Eitelkeit in das Singen ein. Aber fuͤr Sebaſtian, in dem alle Toͤne an nackte zitternde Fuͤhlfaͤden ſchlugen und der ſich ſchon mit den Geſaͤngen der Hirten auf dem Felde traurig machen konnte, war dieſes an einem ſolchen Abend fuͤr ſein Herz zu viel: waͤhrend der muſikali¬ ſchen Aufmerkſamkeit der andern mußt' er zur Thuͤr hinausgehen. . . . Aber hier unter dem großen Nachthimmel koͤn¬ nen unter hoͤhere Tropfen ungeſehen feine fallen — Welche Nacht! — Hier ſchlaͤgt ein Glanz uͤber ihn zuſammen, der Nacht und Himmel und Erde an ein¬ ander reiht, die magiſche Natur draͤngt ſich mit

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/163>, abgerufen am 17.05.2024.