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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795.

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umherglitt? -- Ein Ding, das entzückt nicht wußte,
sollt' es denken, dichten oder lesen besonders wen?
aus dem ganzen vor ihm stehenden hohen Adel der
Bücher. -- In dieser Brautkammer des Geistes (das
sind unsre Musen), in diesem Konzertsaal der schön¬
sten aus allen Zeiten und Plätzen versammelten
Stimmen hinderten ihn die ästhetischen und philoso¬
phischen Lustbarkeiten fast an ihrer Wahl; das Lesen
riß ihn ins Schreiben, das Schreiben ins Lesen, die
Abstraktion in die Empfindung, diese in jene --

Ich könnte in dieser Schilderung vergnügter fort¬
fahren, wenn ichs vorher hätte geschrieben gehabt,
wie er studirte: daß er nie schrieb ohne sich über
die nämliche Sache voll gelesen zu haben und umge¬
kehrt daß er nie las ohne sich vorher darüber hun¬
grig
gedacht zu haben. Man sollte, sagte er, ohne
einen heftigen äußern d. h. innern Anlaß und Drang
nicht blos keine Verse machen, sondern auch keine
philosophischen Paragraphen, und keiner sollte sich
hinsetzen und sagen: "jetzt um drei Uhr am Bartho¬
"lomäustag will ich doch drüber her seyn und fol¬
"genden Satz geschickt prüfen." -- Ich kann jetzt
fortfahren.

Wenn er nun in diesem geistigen Laboratorium,
das weniger der Scheide- als Vereinigungskunst
diente, vom Turmalin, der Aschestäubgen zieht bis
zur Sonne, die Erden zieht, bis zur unbekannten

umherglitt? — Ein Ding, das entzuͤckt nicht wußte,
ſollt' es denken, dichten oder leſen beſonders wen?
aus dem ganzen vor ihm ſtehenden hohen Adel der
Buͤcher. — In dieſer Brautkammer des Geiſtes (das
ſind unſre Muſen), in dieſem Konzertſaal der ſchoͤn¬
ſten aus allen Zeiten und Plaͤtzen verſammelten
Stimmen hinderten ihn die aͤſthetiſchen und philoſo¬
phiſchen Luſtbarkeiten faſt an ihrer Wahl; das Leſen
riß ihn ins Schreiben, das Schreiben ins Leſen, die
Abſtraktion in die Empfindung, dieſe in jene —

Ich koͤnnte in dieſer Schilderung vergnuͤgter fort¬
fahren, wenn ichs vorher haͤtte geſchrieben gehabt,
wie er ſtudirte: daß er nie ſchrieb ohne ſich uͤber
die naͤmliche Sache voll geleſen zu haben und umge¬
kehrt daß er nie las ohne ſich vorher daruͤber hun¬
grig
gedacht zu haben. Man ſollte, ſagte er, ohne
einen heftigen aͤußern d. h. innern Anlaß und Drang
nicht blos keine Verſe machen, ſondern auch keine
philoſophiſchen Paragraphen, und keiner ſollte ſich
hinſetzen und ſagen: »jetzt um drei Uhr am Bartho¬
»lomaͤustag will ich doch druͤber her ſeyn und fol¬
»genden Satz geſchickt pruͤfen.« — Ich kann jetzt
fortfahren.

Wenn er nun in dieſem geiſtigen Laboratorium,
das weniger der Scheide- als Vereinigungskunſt
diente, vom Turmalin, der Aſcheſtaͤubgen zieht bis
zur Sonne, die Erden zieht, bis zur unbekannten

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[168/0179] umherglitt? — Ein Ding, das entzuͤckt nicht wußte, ſollt' es denken, dichten oder leſen beſonders wen? aus dem ganzen vor ihm ſtehenden hohen Adel der Buͤcher. — In dieſer Brautkammer des Geiſtes (das ſind unſre Muſen), in dieſem Konzertſaal der ſchoͤn¬ ſten aus allen Zeiten und Plaͤtzen verſammelten Stimmen hinderten ihn die aͤſthetiſchen und philoſo¬ phiſchen Luſtbarkeiten faſt an ihrer Wahl; das Leſen riß ihn ins Schreiben, das Schreiben ins Leſen, die Abſtraktion in die Empfindung, dieſe in jene — Ich koͤnnte in dieſer Schilderung vergnuͤgter fort¬ fahren, wenn ichs vorher haͤtte geſchrieben gehabt, wie er ſtudirte: daß er nie ſchrieb ohne ſich uͤber die naͤmliche Sache voll geleſen zu haben und umge¬ kehrt daß er nie las ohne ſich vorher daruͤber hun¬ grig gedacht zu haben. Man ſollte, ſagte er, ohne einen heftigen aͤußern d. h. innern Anlaß und Drang nicht blos keine Verſe machen, ſondern auch keine philoſophiſchen Paragraphen, und keiner ſollte ſich hinſetzen und ſagen: »jetzt um drei Uhr am Bartho¬ »lomaͤustag will ich doch druͤber her ſeyn und fol¬ »genden Satz geſchickt pruͤfen.« — Ich kann jetzt fortfahren. Wenn er nun in dieſem geiſtigen Laboratorium, das weniger der Scheide- als Vereinigungskunſt diente, vom Turmalin, der Aſcheſtaͤubgen zieht bis zur Sonne, die Erden zieht, bis zur unbekannten

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/179>, abgerufen am 23.11.2024.