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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795.

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eine reife Aepfelblüte hinab, er fühlte nicht die heis¬
sen Tropfen auf seinem Angesicht und den Eisthau
der Dämmerung an seinen Händen, und irrte mit
einer von Träumen erleuchteten Brust, mit einem
beruhigten, mit der Erde ausgesöhnten Herzen zu¬
rück. -- --

-- Beiläufig! ists nöthig, daß ich eine Schutz¬
schrift ausarbeite für Emanuel als Stylisten und
als Styliten (im höhern Sinne)? Und wenn sie
nöthig ist, brauch' ich darinn etwas anders beyzu¬
bringen als dieses -- daß seine Seele noch das Echo
seiner indischen Palmen und des Gangesstromes ist
-- daß der Gang der bessern entfesselten Menschen,
so wie im Traume, immer ein Flug ist -- daß er
sein Leben nicht wie Europäer mit fremden Thier¬
blut dünge oder in gestorbnem Fleisch auswärme und,
daß dieses Fasten im Essen, so wie das Ueberla¬
den
im Trinken, die Flügel der Phantasie leichter
und breiter mache -- daß wenige Ideen in ihm,
da er ihnen allen geistigen Nahrungssaft einseitig
zuleitet, (welches nicht nur Wahnsinnige, sondern
auch ausserordentliche Menschen von ordentlichen
abtrennt) ein unverhältnißmäßiges Gewicht bekom¬
men müssen, weil die Früchte eines Baums desto
dicker und süsser werden, wenn man die andern ab¬
gebrochen -- und dergleichen mehr. -- Denn aufrich¬
tig zu sprechen, die Leser die eine Schutzschrift be¬

eine reife Aepfelbluͤte hinab, er fuͤhlte nicht die heiſ¬
ſen Tropfen auf ſeinem Angeſicht und den Eisthau
der Daͤmmerung an ſeinen Haͤnden, und irrte mit
einer von Traͤumen erleuchteten Bruſt, mit einem
beruhigten, mit der Erde ausgeſoͤhnten Herzen zu¬
ruͤck. — —

— Beilaͤufig! iſts noͤthig, daß ich eine Schutz¬
ſchrift ausarbeite fuͤr Emanuel als Styliſten und
als Styliten (im hoͤhern Sinne)? Und wenn ſie
noͤthig iſt, brauch' ich darinn etwas anders beyzu¬
bringen als dieſes — daß ſeine Seele noch das Echo
ſeiner indiſchen Palmen und des Gangesſtromes iſt
— daß der Gang der beſſern entfeſſelten Menſchen,
ſo wie im Traume, immer ein Flug iſt — daß er
ſein Leben nicht wie Europaͤer mit fremden Thier¬
blut duͤnge oder in geſtorbnem Fleiſch auswaͤrme und,
daß dieſes Faſten im Eſſen, ſo wie das Ueberla¬
den
im Trinken, die Fluͤgel der Phantaſie leichter
und breiter mache — daß wenige Ideen in ihm,
da er ihnen allen geiſtigen Nahrungsſaft einſeitig
zuleitet, (welches nicht nur Wahnſinnige, ſondern
auch auſſerordentliche Menſchen von ordentlichen
abtrennt) ein unverhaͤltnißmaͤßiges Gewicht bekom¬
men muͤſſen, weil die Fruͤchte eines Baums deſto
dicker und ſuͤſſer werden, wenn man die andern ab¬
gebrochen — und dergleichen mehr. — Denn aufrich¬
tig zu ſprechen, die Leſer die eine Schutzſchrift be¬

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[198/0209] eine reife Aepfelbluͤte hinab, er fuͤhlte nicht die heiſ¬ ſen Tropfen auf ſeinem Angeſicht und den Eisthau der Daͤmmerung an ſeinen Haͤnden, und irrte mit einer von Traͤumen erleuchteten Bruſt, mit einem beruhigten, mit der Erde ausgeſoͤhnten Herzen zu¬ ruͤck. — — — Beilaͤufig! iſts noͤthig, daß ich eine Schutz¬ ſchrift ausarbeite fuͤr Emanuel als Styliſten und als Styliten (im hoͤhern Sinne)? Und wenn ſie noͤthig iſt, brauch' ich darinn etwas anders beyzu¬ bringen als dieſes — daß ſeine Seele noch das Echo ſeiner indiſchen Palmen und des Gangesſtromes iſt — daß der Gang der beſſern entfeſſelten Menſchen, ſo wie im Traume, immer ein Flug iſt — daß er ſein Leben nicht wie Europaͤer mit fremden Thier¬ blut duͤnge oder in geſtorbnem Fleiſch auswaͤrme und, daß dieſes Faſten im Eſſen, ſo wie das Ueberla¬ den im Trinken, die Fluͤgel der Phantaſie leichter und breiter mache — daß wenige Ideen in ihm, da er ihnen allen geiſtigen Nahrungsſaft einſeitig zuleitet, (welches nicht nur Wahnſinnige, ſondern auch auſſerordentliche Menſchen von ordentlichen abtrennt) ein unverhaͤltnißmaͤßiges Gewicht bekom¬ men muͤſſen, weil die Fruͤchte eines Baums deſto dicker und ſuͤſſer werden, wenn man die andern ab¬ gebrochen — und dergleichen mehr. — Denn aufrich¬ tig zu ſprechen, die Leſer die eine Schutzſchrift be¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/209>, abgerufen am 17.05.2024.