So bald aber der Nutzen von Verträgen aufhört: so ist ein Regent befugt, deren zweyerlei zu bre¬ chen -- die mit andern Regenten, die mit seinen eignen Landes-Stiefkindern.
Als ich noch im Kabinet arbeitete (schon um 6 Uhr mit dem Flederwisch, die Sessionstische abzu¬ stäuben, nicht mit der Feder,) hatt' ich ein gescheu¬ tes fliegendes Blat unter der letztern, worin ich die Traktaten-Ouvertüre: au nom de la Sainte Trinite tis für die Chiffre ausgeben wollte, die die Gesand¬ ten über ihre Berichte zum Zeichen setzen, daß man das Gegentheil zu verstehen habe -- es wurd' aber nichts aus dem fliegenden Blatt als ein -- Manu¬ script. In diesem war ich so dumm und wollte den Fürsten erst rathen, von Noth-Lügen und Noth- Wahrheiten der Traktaten müsten sie in jeder Brei¬ te und Stunde dekliniren und inkliniren; ich wollte die Staatskanzleien in einen Winkel zu mir heranpfeifen und ihnen in die Ohren sagen: ich würd' es, und hätt' ich nur neun Regimenter in Gold und Hunger, nicht thun und mir nicht mit dem Wachs und Siegellak der Verträge Hände und Füsse zusammenpichen und mit der Dinte die Flü¬ gel verkleben lassen; das wollt' ich in die Staats¬ praxis erst einführen -- aber die Staatskanzleyen lachten mich von weitem in meinem närrischen
Winkel
So bald aber der Nutzen von Vertraͤgen aufhoͤrt: ſo iſt ein Regent befugt, deren zweyerlei zu bre¬ chen — die mit andern Regenten, die mit ſeinen eignen Landes-Stiefkindern.
Als ich noch im Kabinet arbeitete (ſchon um 6 Uhr mit dem Flederwiſch, die Seſſionstiſche abzu¬ ſtaͤuben, nicht mit der Feder,) hatt' ich ein geſcheu¬ tes fliegendes Blat unter der letztern, worin ich die Traktaten-Ouvertuͤre: au nom de la Sainte Trinité tis fuͤr die Chiffre ausgeben wollte, die die Geſand¬ ten uͤber ihre Berichte zum Zeichen ſetzen, daß man das Gegentheil zu verſtehen habe — es wurd' aber nichts aus dem fliegenden Blatt als ein — Manu¬ ſcript. In dieſem war ich ſo dumm und wollte den Fuͤrſten erſt rathen, von Noth-Luͤgen und Noth- Wahrheiten der Traktaten muͤſten ſie in jeder Brei¬ te und Stunde dekliniren und inkliniren; ich wollte die Staatskanzleien in einen Winkel zu mir heranpfeifen und ihnen in die Ohren ſagen: ich wuͤrd' es, und haͤtt' ich nur neun Regimenter in Gold und Hunger, nicht thun und mir nicht mit dem Wachs und Siegellak der Vertraͤge Haͤnde und Fuͤſſe zuſammenpichen und mit der Dinte die Fluͤ¬ gel verkleben laſſen; das wollt' ich in die Staats¬ praxis erſt einfuͤhren — aber die Staatskanzleyen lachten mich von weitem in meinem naͤrriſchen
Winkel
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So bald aber der Nutzen von Vertraͤgen aufhoͤrt:
ſo iſt ein Regent befugt, deren zweyerlei zu bre¬
chen — die mit andern Regenten, die mit ſeinen
eignen Landes-Stiefkindern.
Als ich noch im Kabinet arbeitete (ſchon um 6
Uhr mit dem Flederwiſch, die Seſſionstiſche abzu¬
ſtaͤuben, nicht mit der Feder,) hatt' ich ein geſcheu¬
tes fliegendes Blat unter der letztern, worin ich die
Traktaten-Ouvertuͤre: au nom de la Sainte Trinité
tis fuͤr die Chiffre ausgeben wollte, die die Geſand¬
ten uͤber ihre Berichte zum Zeichen ſetzen, daß man
das Gegentheil zu verſtehen habe — es wurd' aber
nichts aus dem fliegenden Blatt als ein — Manu¬
ſcript. In dieſem war ich ſo dumm und wollte den
Fuͤrſten erſt rathen, von Noth-Luͤgen und Noth-
Wahrheiten der Traktaten muͤſten ſie in jeder Brei¬
te und Stunde dekliniren und inkliniren; ich
wollte die Staatskanzleien in einen Winkel zu mir
heranpfeifen und ihnen in die Ohren ſagen: ich
wuͤrd' es, und haͤtt' ich nur neun Regimenter in
Gold und Hunger, nicht thun und mir nicht mit
dem Wachs und Siegellak der Vertraͤge Haͤnde und
Fuͤſſe zuſammenpichen und mit der Dinte die Fluͤ¬
gel verkleben laſſen; das wollt' ich in die Staats¬
praxis erſt einfuͤhren — aber die Staatskanzleyen
lachten mich von weitem in meinem naͤrriſchen
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/219>, abgerufen am 25.11.2024.
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