Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

Winkel aus und sagten: der Pfeifer muß doch den¬
ken, wir machens anders.

In den Werken des H. Herkommen -- des
besten deutschen Publizisten, der aber keine acta sanc¬
torum
schreibt -- wird es erwiesen, daß ein Lan¬
desfürst die Verträge, Privilegien und Konzessionen
zwischen seinem Vorfahrer und den Unterthanen gar
nicht zu beobachten brauche; -- daraus folgt, daß
er noch weit weniger seine eignen Verträge mit
ihnen zu halten vonnöthen habe, da ihm die Nutz¬
niesung dieser Verträge, die in nichts als im Hal¬
ten oder Brechen besteht, offenklar als Eigenthümer
gebühre. H. Herkommen sagt das nämliche auf
allen Blättern und schwört gar dazu. -- Ja kann es
einen Dekan oder einen Rektor Magnifikus geben,
der so entsetzlich dumm ist, das ihm -- da doch
nach einer allgemeinen Fikzion ein König nicht stirbt
und mithin Vor- und Nachfahrer zu Einem Mann
ineinanderverwachsen -- nicht der Schluß daraus
beyzubringen ist, daß der Nachfahrer seine eigne
Verträge für die seines Antezessors halten und mit¬
hin, da beyde nur Ein Mann sind, eben so gut bre¬
chen könne wie geerbte.

Wer philosophisch darüber reden wollte: der
könnte darthun, daß überhaupt gar kein Mensch
sein Wort zu halten brauche, nicht blos Fürsten.
Nach der Physiologie rückt der alte Körper eines

Hesperus, l. Th. O

Winkel aus und ſagten: der Pfeifer muß doch den¬
ken, wir machens anders.

In den Werken des H. Herkommen — des
beſten deutſchen Publiziſten, der aber keine acta sanc¬
torum
ſchreibt — wird es erwieſen, daß ein Lan¬
desfuͤrſt die Vertraͤge, Privilegien und Konzeſſionen
zwiſchen ſeinem Vorfahrer und den Unterthanen gar
nicht zu beobachten brauche; — daraus folgt, daß
er noch weit weniger ſeine eignen Vertraͤge mit
ihnen zu halten vonnoͤthen habe, da ihm die Nutz¬
nieſung dieſer Vertraͤge, die in nichts als im Hal¬
ten oder Brechen beſteht, offenklar als Eigenthuͤmer
gebuͤhre. H. Herkommen ſagt das naͤmliche auf
allen Blaͤttern und ſchwoͤrt gar dazu. — Ja kann es
einen Dekan oder einen Rektor Magnifikus geben,
der ſo entſetzlich dumm iſt, das ihm — da doch
nach einer allgemeinen Fikzion ein Koͤnig nicht ſtirbt
und mithin Vor- und Nachfahrer zu Einem Mann
ineinanderverwachſen — nicht der Schluß daraus
beyzubringen iſt, daß der Nachfahrer ſeine eigne
Vertraͤge fuͤr die ſeines Antezeſſors halten und mit¬
hin, da beyde nur Ein Mann ſind, eben ſo gut bre¬
chen koͤnne wie geerbte.

Wer philoſophiſch daruͤber reden wollte: der
koͤnnte darthun, daß uͤberhaupt gar kein Menſch
ſein Wort zu halten brauche, nicht blos Fuͤrſten.
Nach der Phyſiologie ruͤckt der alte Koͤrper eines

Heſperus, l. Th. O
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0220" n="209"/>
Winkel aus und &#x017F;agten: der Pfeifer muß doch den¬<lb/>
ken, wir machens anders.</p><lb/>
        <p>In den <hi rendition="#g">Werken</hi> des H. <hi rendition="#g">Herkommen</hi> &#x2014; des<lb/>
be&#x017F;ten deut&#x017F;chen Publizi&#x017F;ten, der aber keine <hi rendition="#aq">acta sanc¬<lb/>
torum</hi> &#x017F;chreibt &#x2014; wird es erwie&#x017F;en, daß ein Lan¬<lb/>
desfu&#x0364;r&#x017F;t die Vertra&#x0364;ge, Privilegien und Konze&#x017F;&#x017F;ionen<lb/>
zwi&#x017F;chen &#x017F;einem Vorfahrer und den Unterthanen gar<lb/>
nicht zu beobachten brauche; &#x2014; daraus folgt, daß<lb/>
er noch weit weniger &#x017F;eine <hi rendition="#g">eignen</hi> Vertra&#x0364;ge mit<lb/>
ihnen zu halten vonno&#x0364;then habe, da ihm die Nutz¬<lb/>
nie&#x017F;ung die&#x017F;er Vertra&#x0364;ge, die in nichts als im Hal¬<lb/>
ten oder Brechen be&#x017F;teht, offenklar als Eigenthu&#x0364;mer<lb/>
gebu&#x0364;hre. H. <hi rendition="#g">Herkommen</hi> &#x017F;agt das na&#x0364;mliche auf<lb/>
allen Bla&#x0364;ttern und &#x017F;chwo&#x0364;rt gar dazu. &#x2014; Ja kann es<lb/>
einen Dekan oder einen Rektor Magnifikus geben,<lb/>
der &#x017F;o ent&#x017F;etzlich dumm i&#x017F;t, das ihm &#x2014; da doch<lb/>
nach einer allgemeinen Fikzion ein Ko&#x0364;nig nicht &#x017F;tirbt<lb/>
und mithin Vor- und Nachfahrer zu Einem Mann<lb/>
ineinanderverwach&#x017F;en &#x2014; nicht der Schluß daraus<lb/>
beyzubringen i&#x017F;t, daß der Nachfahrer &#x017F;eine eigne<lb/>
Vertra&#x0364;ge fu&#x0364;r die &#x017F;eines Anteze&#x017F;&#x017F;ors halten und mit¬<lb/>
hin, da beyde nur Ein Mann &#x017F;ind, eben &#x017F;o gut bre¬<lb/>
chen ko&#x0364;nne wie geerbte.</p><lb/>
        <p>Wer philo&#x017F;ophi&#x017F;ch daru&#x0364;ber reden wollte: der<lb/>
ko&#x0364;nnte darthun, daß u&#x0364;berhaupt gar kein Men&#x017F;ch<lb/>
&#x017F;ein Wort zu halten brauche, nicht blos Fu&#x0364;r&#x017F;ten.<lb/>
Nach der Phy&#x017F;iologie ru&#x0364;ckt der alte Ko&#x0364;rper eines<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">He&#x017F;perus, <hi rendition="#aq">l</hi>. Th. O<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[209/0220] Winkel aus und ſagten: der Pfeifer muß doch den¬ ken, wir machens anders. In den Werken des H. Herkommen — des beſten deutſchen Publiziſten, der aber keine acta sanc¬ torum ſchreibt — wird es erwieſen, daß ein Lan¬ desfuͤrſt die Vertraͤge, Privilegien und Konzeſſionen zwiſchen ſeinem Vorfahrer und den Unterthanen gar nicht zu beobachten brauche; — daraus folgt, daß er noch weit weniger ſeine eignen Vertraͤge mit ihnen zu halten vonnoͤthen habe, da ihm die Nutz¬ nieſung dieſer Vertraͤge, die in nichts als im Hal¬ ten oder Brechen beſteht, offenklar als Eigenthuͤmer gebuͤhre. H. Herkommen ſagt das naͤmliche auf allen Blaͤttern und ſchwoͤrt gar dazu. — Ja kann es einen Dekan oder einen Rektor Magnifikus geben, der ſo entſetzlich dumm iſt, das ihm — da doch nach einer allgemeinen Fikzion ein Koͤnig nicht ſtirbt und mithin Vor- und Nachfahrer zu Einem Mann ineinanderverwachſen — nicht der Schluß daraus beyzubringen iſt, daß der Nachfahrer ſeine eigne Vertraͤge fuͤr die ſeines Antezeſſors halten und mit¬ hin, da beyde nur Ein Mann ſind, eben ſo gut bre¬ chen koͤnne wie geerbte. Wer philoſophiſch daruͤber reden wollte: der koͤnnte darthun, daß uͤberhaupt gar kein Menſch ſein Wort zu halten brauche, nicht blos Fuͤrſten. Nach der Phyſiologie ruͤckt der alte Koͤrper eines Heſperus, l. Th. O

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/220
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/220>, abgerufen am 25.11.2024.