diese fliegende Ströme ging, von ihnen gehoben und erweicht; dann schwamm sein Herz bebend wie das Sonnenbild, im unendlichen Ozean, wie der schlagende Punkt des Räderthiers im flatternden Wasserkügelgen dieser Kaskaden schwamm -- --
Dann lösete sich in eine dunkle Unermeßlichkeit auf die Blume, die Aue, der Wald; und die Far¬ benkörner der Natur zergingen in eine einzige weite Flut, und über der dämmernden Flut stand der Un¬ endliche als Sonne, und in ihr das Menschenherz als zurückgespiegelte Sonne -- --
Alles ward Eins -- alle Herzen ein gröstes -- ein einziges Leben schlug -- die grünenden Bilder -- die wachsenden Statuen -- der Staubklumpe des Erdglobus und die unendliche blaue Wölbung wur¬ den das anblickende Angesicht Einer unermeßlichen Seele -- --
Er mochte immerhin die Augen zuschliessen: in seiner dunkeln Brust ruhte noch diese blühende Un¬ endlichkeit -- --
Ach wenn er sich in die Wolken hätte hinauf¬ stürzen können, um auf ihnen durch den wehenden Himmel, über die unübersehliche Erde zu ziehen! -- Ach wenn er mit dem Blütendufte hätte über die Blumen hinüberinnen, mit dem Winde über die Gip¬ fel, durch die Wälder hätte strömen können! -- O jetzt wär' er einem grossen Menschen lieber ans
dieſe fliegende Stroͤme ging, von ihnen gehoben und erweicht; dann ſchwamm ſein Herz bebend wie das Sonnenbild, im unendlichen Ozean, wie der ſchlagende Punkt des Raͤderthiers im flatternden Waſſerkuͤgelgen dieſer Kaskaden ſchwamm — —
Dann loͤſete ſich in eine dunkle Unermeßlichkeit auf die Blume, die Aue, der Wald; und die Far¬ benkoͤrner der Natur zergingen in eine einzige weite Flut, und uͤber der daͤmmernden Flut ſtand der Un¬ endliche als Sonne, und in ihr das Menſchenherz als zuruͤckgeſpiegelte Sonne — —
Alles ward Eins — alle Herzen ein groͤſtes — ein einziges Leben ſchlug — die gruͤnenden Bilder — die wachſenden Statuen — der Staubklumpe des Erdglobus und die unendliche blaue Woͤlbung wur¬ den das anblickende Angeſicht Einer unermeßlichen Seele — —
Er mochte immerhin die Augen zuſchlieſſen: in ſeiner dunkeln Bruſt ruhte noch dieſe bluͤhende Un¬ endlichkeit — —
Ach wenn er ſich in die Wolken haͤtte hinauf¬ ſtuͤrzen koͤnnen, um auf ihnen durch den wehenden Himmel, uͤber die unuͤberſehliche Erde zu ziehen! — Ach wenn er mit dem Bluͤtendufte haͤtte uͤber die Blumen hinuͤberinnen, mit dem Winde uͤber die Gip¬ fel, durch die Waͤlder haͤtte ſtroͤmen koͤnnen! — O jetzt waͤr' er einem groſſen Menſchen lieber ans
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dieſe fliegende Stroͤme ging, von ihnen gehoben
und erweicht; dann ſchwamm ſein Herz bebend wie
das Sonnenbild, im unendlichen Ozean, wie der
ſchlagende Punkt des Raͤderthiers im flatternden
Waſſerkuͤgelgen dieſer Kaskaden ſchwamm — —
Dann loͤſete ſich in eine dunkle Unermeßlichkeit
auf die Blume, die Aue, der Wald; und die Far¬
benkoͤrner der Natur zergingen in eine einzige weite
Flut, und uͤber der daͤmmernden Flut ſtand der Un¬
endliche als Sonne, und in ihr das Menſchenherz
als zuruͤckgeſpiegelte Sonne — —
Alles ward Eins — alle Herzen ein groͤſtes —
ein einziges Leben ſchlug — die gruͤnenden Bilder —
die wachſenden Statuen — der Staubklumpe des
Erdglobus und die unendliche blaue Woͤlbung wur¬
den das anblickende Angeſicht Einer unermeßlichen
Seele — —
Er mochte immerhin die Augen zuſchlieſſen: in
ſeiner dunkeln Bruſt ruhte noch dieſe bluͤhende Un¬
endlichkeit — —
Ach wenn er ſich in die Wolken haͤtte hinauf¬
ſtuͤrzen koͤnnen, um auf ihnen durch den wehenden
Himmel, uͤber die unuͤberſehliche Erde zu ziehen! —
Ach wenn er mit dem Bluͤtendufte haͤtte uͤber die
Blumen hinuͤberinnen, mit dem Winde uͤber die Gip¬
fel, durch die Waͤlder haͤtte ſtroͤmen koͤnnen! —
O jetzt waͤr' er einem groſſen Menſchen lieber ans
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/228>, abgerufen am 26.11.2024.
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