Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

okzidentalische bedeutet, Thränen mein' ich): so
wünscht' er "ach du Gute, könnt' ich nur einen
"dreifachen Schleier so lange über dein Auge ziehen
"bis es eine Thräne vergossen hätte! -- dürft' ich
"dir nur die subhastirte Hand küssen wie deine Hof¬
"damen jetzt thun, um mit den meinigen die Nähe
"eines gerührten Herzens auf die verkaufte Hand
"zu schreiben." . .

Seid weich und erweitet nicht Fürstenhaß zu
Fürstinnen-Haß! Soll uns ein gebeugtes weib¬
liches Haupt nicht rühren, weil es sich auf einen
Tisch von Magahony stützt und große Thränen
nicht, weil sie in Seide fallen? "Es ist zu hart --
"sagte Viktor im Hannöverischen -- daß Dichter
"und magistri legentes, wenn sie neben einem Luft¬
"schloß vorbeigehen, mit einer neidischen Schaden¬
"freude die Bemerkung machen, darin werde viel¬
"leicht eben so viel Thränenbrod gebacken, wie in
"Fischerhütten. O wohl größeres und härteres!
"Aber ist das Auge, aus dem im Dachsbau eines
"Schotten nichts Thränen presset als der Stuben¬
"rauch, eines größern Mitleids werth als jenes
"zarte, das gleich dem eines Albinos schon von
"Freudenstralen schmerzt und das der gequälte Geist
"mit geistigen Zähren erfüllt? Ach unten in den
"Thälern wird nur der Haut, aber oben auf den
"Höhen der Kultur das Herz durchstochen; und die

R 2

okzidentaliſche bedeutet, Thraͤnen mein' ich): ſo
wuͤnſcht' er »ach du Gute, koͤnnt' ich nur einen
»dreifachen Schleier ſo lange uͤber dein Auge ziehen
»bis es eine Thraͤne vergoſſen haͤtte! — duͤrft' ich
»dir nur die ſubhaſtirte Hand kuͤſſen wie deine Hof¬
»damen jetzt thun, um mit den meinigen die Naͤhe
»eines geruͤhrten Herzens auf die verkaufte Hand
»zu ſchreiben.« . .

Seid weich und erweitet nicht Fuͤrſtenhaß zu
Fuͤrſtinnen-Haß! Soll uns ein gebeugtes weib¬
liches Haupt nicht ruͤhren, weil es ſich auf einen
Tiſch von Magahony ſtuͤtzt und große Thraͤnen
nicht, weil ſie in Seide fallen? »Es iſt zu hart —
»ſagte Viktor im Hannoͤveriſchen — daß Dichter
»und magistri legentes, wenn ſie neben einem Luft¬
»ſchloß vorbeigehen, mit einer neidiſchen Schaden¬
»freude die Bemerkung machen, darin werde viel¬
»leicht eben ſo viel Thraͤnenbrod gebacken, wie in
»Fiſcherhuͤtten. O wohl groͤßeres und haͤrteres!
»Aber iſt das Auge, aus dem im Dachsbau eines
»Schotten nichts Thraͤnen preſſet als der Stuben¬
»rauch, eines groͤßern Mitleids werth als jenes
»zarte, das gleich dem eines Albinos ſchon von
»Freudenſtralen ſchmerzt und das der gequaͤlte Geiſt
»mit geiſtigen Zaͤhren erfuͤllt? Ach unten in den
»Thaͤlern wird nur der Haut, aber oben auf den
»Hoͤhen der Kultur das Herz durchſtochen; und die

R 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0270" n="259"/>
okzidentali&#x017F;che bedeutet, Thra&#x0364;nen mein' ich): &#x017F;o<lb/>
wu&#x0364;n&#x017F;cht' er »ach du Gute, ko&#x0364;nnt' ich nur einen<lb/>
»dreifachen Schleier &#x017F;o lange u&#x0364;ber dein Auge ziehen<lb/>
»bis es eine Thra&#x0364;ne vergo&#x017F;&#x017F;en ha&#x0364;tte! &#x2014; du&#x0364;rft' ich<lb/>
»dir nur die &#x017F;ubha&#x017F;tirte Hand ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wie deine Hof¬<lb/>
»damen jetzt thun, um mit den meinigen die Na&#x0364;he<lb/>
»eines geru&#x0364;hrten Herzens auf die verkaufte Hand<lb/>
»zu &#x017F;chreiben.« . .</p><lb/>
          <p>Seid weich und erweitet nicht Fu&#x0364;r&#x017F;tenhaß zu<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;tinnen-Haß! Soll uns ein gebeugtes weib¬<lb/>
liches Haupt nicht ru&#x0364;hren, weil es &#x017F;ich auf einen<lb/>
Ti&#x017F;ch von Magahony &#x017F;tu&#x0364;tzt und große Thra&#x0364;nen<lb/>
nicht, weil &#x017F;ie in Seide fallen? »Es i&#x017F;t zu hart &#x2014;<lb/>
»&#x017F;agte Viktor im Hanno&#x0364;veri&#x017F;chen &#x2014; daß Dichter<lb/>
»und <hi rendition="#aq">magistri legentes</hi>, wenn &#x017F;ie neben einem Luft¬<lb/>
»&#x017F;chloß vorbeigehen, mit einer neidi&#x017F;chen Schaden¬<lb/>
»freude die Bemerkung machen, darin werde viel¬<lb/>
»leicht eben &#x017F;o viel Thra&#x0364;nenbrod gebacken, wie in<lb/>
»Fi&#x017F;cherhu&#x0364;tten. O wohl gro&#x0364;ßeres und ha&#x0364;rteres!<lb/>
»Aber i&#x017F;t das Auge, aus dem im Dachsbau eines<lb/>
»Schotten nichts Thra&#x0364;nen pre&#x017F;&#x017F;et als der Stuben¬<lb/>
»rauch, eines gro&#x0364;ßern Mitleids werth als jenes<lb/>
»zarte, das gleich dem eines Albinos &#x017F;chon von<lb/>
»Freuden&#x017F;tralen &#x017F;chmerzt und das der gequa&#x0364;lte Gei&#x017F;t<lb/>
»mit gei&#x017F;tigen Za&#x0364;hren erfu&#x0364;llt? Ach unten in den<lb/>
»Tha&#x0364;lern wird nur der Haut, aber oben auf den<lb/>
»Ho&#x0364;hen der Kultur das Herz durch&#x017F;tochen; und die<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">R 2<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[259/0270] okzidentaliſche bedeutet, Thraͤnen mein' ich): ſo wuͤnſcht' er »ach du Gute, koͤnnt' ich nur einen »dreifachen Schleier ſo lange uͤber dein Auge ziehen »bis es eine Thraͤne vergoſſen haͤtte! — duͤrft' ich »dir nur die ſubhaſtirte Hand kuͤſſen wie deine Hof¬ »damen jetzt thun, um mit den meinigen die Naͤhe »eines geruͤhrten Herzens auf die verkaufte Hand »zu ſchreiben.« . . Seid weich und erweitet nicht Fuͤrſtenhaß zu Fuͤrſtinnen-Haß! Soll uns ein gebeugtes weib¬ liches Haupt nicht ruͤhren, weil es ſich auf einen Tiſch von Magahony ſtuͤtzt und große Thraͤnen nicht, weil ſie in Seide fallen? »Es iſt zu hart — »ſagte Viktor im Hannoͤveriſchen — daß Dichter »und magistri legentes, wenn ſie neben einem Luft¬ »ſchloß vorbeigehen, mit einer neidiſchen Schaden¬ »freude die Bemerkung machen, darin werde viel¬ »leicht eben ſo viel Thraͤnenbrod gebacken, wie in »Fiſcherhuͤtten. O wohl groͤßeres und haͤrteres! »Aber iſt das Auge, aus dem im Dachsbau eines »Schotten nichts Thraͤnen preſſet als der Stuben¬ »rauch, eines groͤßern Mitleids werth als jenes »zarte, das gleich dem eines Albinos ſchon von »Freudenſtralen ſchmerzt und das der gequaͤlte Geiſt »mit geiſtigen Zaͤhren erfuͤllt? Ach unten in den »Thaͤlern wird nur der Haut, aber oben auf den »Hoͤhen der Kultur das Herz durchſtochen; und die R 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/270
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/270>, abgerufen am 22.11.2024.