"nicht auf seinem Nachtzettel hat, sündlich und "hundsmäßig zu verzetteln, nicht etwa mit gar "Nichtsthun, oder mit den halben Takt-Pausen der "Kanzleiferien oder den ganzen Takt-Pausen der "Komizialferien, oder mit den Narrheiten der Freude " -- was wäre rühmlicher? -- sondern mit den "Narrheiten der Quaal, mit zwölf herkulischen "Nichts-Arbeiten, in den Raspelhäusern der Vor¬ "zimmer, auf der tratto di corda des gespannten "Zeremoniels. . . . Mein lieber Hofmarschall, meine "schönste Oberhofmeisterin, ich billige alles; aber das "Leben ist so kurz, daß es nicht die Mühe lohnt, "sich einen langen Zopf darin zu machen -- Könn¬ "ten wir nicht das Haar aufbinden und über alle "Vorsääle, d. h. Vorhöllen, über alle Vorfechter "und Vortänzer hinwegsetzen gleich mitten in die "Maiblumen unsrer Tage hinein und in ihre Blu¬ "menkelche. . . . Ich will mich nicht abstrakt und "scholastisch ausdrücken: sonst müßt' ich sagen: wie "Hunde, werden Zeremonien durchs Alter toll; wie "Tanzhandschuhe, taugt jede nur einmal und muß dann "weggeworfen werden; aber der Mensch ist so ein "verdammt zeremonielles Thier, daß man schwören "sollte, er kenne keinen größern und längern Tag "als den Regenspurger Reichstag."
So lang er aß, war Tostato nicht da sondern im Laden. Nun hatt' er schon am vorigen Abend einen
»nicht auf ſeinem Nachtzettel hat, ſuͤndlich und »hundsmaͤßig zu verzetteln, nicht etwa mit gar »Nichtsthun, oder mit den halben Takt-Pauſen der »Kanzleiferien oder den ganzen Takt-Pauſen der »Komizialferien, oder mit den Narrheiten der Freude » — was waͤre ruͤhmlicher? — ſondern mit den »Narrheiten der Quaal, mit zwoͤlf herkuliſchen »Nichts-Arbeiten, in den Raſpelhaͤuſern der Vor¬ »zimmer, auf der tratto di corda des geſpannten »Zeremoniels. . . . Mein lieber Hofmarſchall, meine »ſchoͤnſte Oberhofmeiſterin, ich billige alles; aber das »Leben iſt ſo kurz, daß es nicht die Muͤhe lohnt, »ſich einen langen Zopf darin zu machen — Koͤnn¬ »ten wir nicht das Haar aufbinden und uͤber alle »Vorſaͤaͤle, d. h. Vorhoͤllen, uͤber alle Vorfechter »und Vortaͤnzer hinwegſetzen gleich mitten in die »Maiblumen unſrer Tage hinein und in ihre Blu¬ »menkelche. . . . Ich will mich nicht abſtrakt und »ſcholaſtiſch ausdruͤcken: ſonſt muͤßt' ich ſagen: wie »Hunde, werden Zeremonien durchs Alter toll; wie »Tanzhandſchuhe, taugt jede nur einmal und muß dann »weggeworfen werden; aber der Menſch iſt ſo ein »verdammt zeremonielles Thier, daß man ſchwoͤren »ſollte, er kenne keinen groͤßern und laͤngern Tag »als den Regenſpurger Reichstag.«
So lang er aß, war Toſtato nicht da ſondern im Laden. Nun hatt' er ſchon am vorigen Abend einen
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»Narrheiten der Quaal, mit zwoͤlf herkuliſchen
»Nichts-Arbeiten, in den Raſpelhaͤuſern der Vor¬
»zimmer, auf der tratto di corda des geſpannten
»Zeremoniels. . . . Mein lieber Hofmarſchall, meine
»ſchoͤnſte Oberhofmeiſterin, ich billige alles; aber das
»Leben iſt ſo kurz, daß es nicht die Muͤhe lohnt,
»ſich einen langen Zopf darin zu machen — Koͤnn¬
»ten wir nicht das Haar aufbinden und uͤber alle
»Vorſaͤaͤle, d. h. Vorhoͤllen, uͤber alle Vorfechter
»und Vortaͤnzer hinwegſetzen gleich mitten in die
»Maiblumen unſrer Tage hinein und in ihre Blu¬
»menkelche. . . . Ich will mich nicht abſtrakt und
»ſcholaſtiſch ausdruͤcken: ſonſt muͤßt' ich ſagen: wie
»Hunde, werden Zeremonien durchs Alter toll; wie
»Tanzhandſchuhe, taugt jede nur einmal und muß dann
»weggeworfen werden; aber der Menſch iſt ſo ein
»verdammt zeremonielles Thier, daß man ſchwoͤren
»ſollte, er kenne keinen groͤßern und laͤngern Tag
»als den Regenſpurger Reichstag.«
So lang er aß, war Toſtato nicht da ſondern im
Laden. Nun hatt' er ſchon am vorigen Abend einen
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/276>, abgerufen am 22.11.2024.
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