Universität der Regierung) und erhöhe ganz im Stillen -- hinter der herabgelassenen Gardine der Gesichtshaut -- Komisches der Natur zu Komi¬ schem der Kunst. -- --
Ich komme zurük. Die Kaplänin erzählte -- alle wustens längst, aber dieses Wiederholen ist eben der Reiz des häuslichen Dialogs: wenn wir einen süßen Gedanken ohne Ennui oft selber haben können, warum sollen wir ihn nicht auch andern oft sagen können? wie sanft, wie weich, wie zärtlich wie weib¬ lich ihr zweiter Sohn sey: denn er nannte sie im¬ mer seine Mutter. Ein Hofapotheker mit einem Binsenstein Herz -- Zeusel schreibt er sich -- sah dieses Zerfließen der wärmsten Seele sogar einmal für eine Thränenfistel an, weil er glaubte, keine andere Augen könnten weinen als kranke. . . . Lieber Leser, ist dir jetzt nicht wie dem Biographen, der nun den Eintrit dieses guten Viktors in die Kapla¬ nei und Biographie kaum erwarten kann? Wirst du ihm nicht die freundschaftliche Hand reichen und sagen: "willkommen, Unbekannter! -- Sieh dein "weiches Herz öfnet unseres schon unter der "Schwelle! O du Mensch mit Augen voll Thränen, "glaubst denn du auch wie wir, daß in einem Leben, "dessen Ufer vollhängen von Erschroknen, die sich an "Zweige, von Verzweifelten, die sich an Blät¬ "ter halten, daß in einem solchen Leben wo uns
Univerſitaͤt der Regierung) und erhoͤhe ganz im Stillen — hinter der herabgelaſſenen Gardine der Geſichtshaut — Komiſches der Natur zu Komi¬ ſchem der Kunſt. — —
Ich komme zuruͤk. Die Kaplaͤnin erzaͤhlte — alle wuſtens laͤngſt, aber dieſes Wiederholen iſt eben der Reiz des haͤuslichen Dialogs: wenn wir einen ſuͤßen Gedanken ohne Ennui oft ſelber haben koͤnnen, warum ſollen wir ihn nicht auch andern oft ſagen koͤnnen? wie ſanft, wie weich, wie zaͤrtlich wie weib¬ lich ihr zweiter Sohn ſey: denn er nannte ſie im¬ mer ſeine Mutter. Ein Hofapotheker mit einem Binſenſtein Herz — Zeuſel ſchreibt er ſich — ſah dieſes Zerfließen der waͤrmſten Seele ſogar einmal fuͤr eine Thraͤnenfiſtel an, weil er glaubte, keine andere Augen koͤnnten weinen als kranke. . . . Lieber Leſer, iſt dir jetzt nicht wie dem Biographen, der nun den Eintrit dieſes guten Viktors in die Kapla¬ nei und Biographie kaum erwarten kann? Wirſt du ihm nicht die freundſchaftliche Hand reichen und ſagen: »willkommen, Unbekannter! — Sieh dein »weiches Herz oͤfnet unſeres ſchon unter der »Schwelle! O du Menſch mit Augen voll Thraͤnen, »glaubſt denn du auch wie wir, daß in einem Leben, »deſſen Ufer vollhaͤngen von Erſchroknen, die ſich an »Zweige, von Verzweifelten, die ſich an Blaͤt¬ »ter halten, daß in einem ſolchen Leben wo uns
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Univerſitaͤt der Regierung) und erhoͤhe ganz im
Stillen — hinter der herabgelaſſenen Gardine der
Geſichtshaut — Komiſches der Natur zu Komi¬
ſchem der Kunſt. — —
Ich komme zuruͤk. Die Kaplaͤnin erzaͤhlte —
alle wuſtens laͤngſt, aber dieſes Wiederholen iſt eben
der Reiz des haͤuslichen Dialogs: wenn wir einen
ſuͤßen Gedanken ohne Ennui oft ſelber haben koͤnnen,
warum ſollen wir ihn nicht auch andern oft ſagen
koͤnnen? wie ſanft, wie weich, wie zaͤrtlich wie weib¬
lich ihr zweiter Sohn ſey: denn er nannte ſie im¬
mer ſeine Mutter. Ein Hofapotheker mit einem
Binſenſtein Herz — Zeuſel ſchreibt er ſich — ſah
dieſes Zerfließen der waͤrmſten Seele ſogar einmal
fuͤr eine Thraͤnenfiſtel an, weil er glaubte, keine
andere Augen koͤnnten weinen als kranke. . . . Lieber
Leſer, iſt dir jetzt nicht wie dem Biographen, der
nun den Eintrit dieſes guten Viktors in die Kapla¬
nei und Biographie kaum erwarten kann? Wirſt
du ihm nicht die freundſchaftliche Hand reichen
und ſagen: »willkommen, Unbekannter! — Sieh dein
»weiches Herz oͤfnet unſeres ſchon unter der
»Schwelle! O du Menſch mit Augen voll Thraͤnen,
»glaubſt denn du auch wie wir, daß in einem Leben,
»deſſen Ufer vollhaͤngen von Erſchroknen, die ſich an
»Zweige, von Verzweifelten, die ſich an Blaͤt¬
»ter halten, daß in einem ſolchen Leben wo uns
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/29>, abgerufen am 21.11.2024.
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