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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795.

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Horion wandte sich um und sah stehend ins
schöne, freudig, unbethränte Angesicht: "Du willst
"sterben?"

Emanuels Entzückung stieg über das Leben: "der
dunkle Streif in der zweiten Welt ist nur eine Blu¬
men-Aue *)-- es leuchten uns Sonnen voraus, es
ziehen uns fliegende Himmel mit Frühlingslüsten
entgegen -- bloß mit leeren Gräbern fliegt die Erde
um die Sonne: denn ihre Todten stehen entfernt
auf hellern Sonnen." --

"Emanuel?" -- fragte laut weinend und mit
der Stimme des innigsten Sehnens Horion und die
Flötentöne sanken jammernd unter in die weite
Nacht -- "Emanuel?"

Emanue! sah ihn, zurückkommend, an und sagte
erhaben ruhig: "Ja, mein Geliebter! -- Ich kann
"mich nicht mehr an die Erde gewöhnen: der Was¬
"sertropfen des Lebens ist flach und seicht geworden,
"ich kann mich nicht mehr darin bewegen und mein
"Herz sehnt sich unter die großen Menschen, die
"diesen Tropfen verlassen haben. -- -- O Geliebter,
"höre doch -- (und hier drückte er das Herz seines
"Viktors ein) -- diesen schweren Athem gehen --

"sehe
*) Wie die Flecken im Monde Blumen- und Pflanzenfelder
sind.

Horion wandte ſich um und ſah ſtehend ins
ſchoͤne, freudig, unbethraͤnte Angeſicht: »Du willſt
»ſterben?«

Emanuels Entzuͤckung ſtieg uͤber das Leben: »der
dunkle Streif in der zweiten Welt iſt nur eine Blu¬
men-Aue *)— es leuchten uns Sonnen voraus, es
ziehen uns fliegende Himmel mit Fruͤhlingsluͤſten
entgegen — bloß mit leeren Graͤbern fliegt die Erde
um die Sonne: denn ihre Todten ſtehen entfernt
auf hellern Sonnen.« —

»Emanuel?« — fragte laut weinend und mit
der Stimme des innigſten Sehnens Horion und die
Floͤtentoͤne ſanken jammernd unter in die weite
Nacht — »Emanuel?«

Emanue! ſah ihn, zuruͤckkommend, an und ſagte
erhaben ruhig: »Ja, mein Geliebter! — Ich kann
»mich nicht mehr an die Erde gewoͤhnen: der Waſ¬
»ſertropfen des Lebens iſt flach und ſeicht geworden,
»ich kann mich nicht mehr darin bewegen und mein
»Herz ſehnt ſich unter die großen Menſchen, die
»dieſen Tropfen verlaſſen haben. — — O Geliebter,
»hoͤre doch — (und hier druͤckte er das Herz ſeines
»Viktors ein) — dieſen ſchweren Athem gehen —

»ſehe
*) Wie die Flecken im Monde Blumen- und Pflanzenfelder
ſind.
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[352/0363] Horion wandte ſich um und ſah ſtehend ins ſchoͤne, freudig, unbethraͤnte Angeſicht: »Du willſt »ſterben?« Emanuels Entzuͤckung ſtieg uͤber das Leben: »der dunkle Streif in der zweiten Welt iſt nur eine Blu¬ men-Aue *)— es leuchten uns Sonnen voraus, es ziehen uns fliegende Himmel mit Fruͤhlingsluͤſten entgegen — bloß mit leeren Graͤbern fliegt die Erde um die Sonne: denn ihre Todten ſtehen entfernt auf hellern Sonnen.« — »Emanuel?« — fragte laut weinend und mit der Stimme des innigſten Sehnens Horion und die Floͤtentoͤne ſanken jammernd unter in die weite Nacht — »Emanuel?« Emanue! ſah ihn, zuruͤckkommend, an und ſagte erhaben ruhig: »Ja, mein Geliebter! — Ich kann »mich nicht mehr an die Erde gewoͤhnen: der Waſ¬ »ſertropfen des Lebens iſt flach und ſeicht geworden, »ich kann mich nicht mehr darin bewegen und mein »Herz ſehnt ſich unter die großen Menſchen, die »dieſen Tropfen verlaſſen haben. — — O Geliebter, »hoͤre doch — (und hier druͤckte er das Herz ſeines »Viktors ein) — dieſen ſchweren Athem gehen — »ſehe *) Wie die Flecken im Monde Blumen- und Pflanzenfelder ſind.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/363>, abgerufen am 22.11.2024.