Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795.Die Flöte hatte aufgehört, die zwei Menschen Viktor hatte sich leise von den kindlichen Lippen O ruhe, ruhe! -- Ach den ewig erschütterten Die Floͤte hatte aufgehoͤrt, die zwei Menſchen Viktor hatte ſich leiſe von den kindlichen Lippen O ruhe, ruhe! — Ach den ewig erſchuͤtterten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0365" n="354"/> <p>Die Floͤte hatte aufgehoͤrt, die zwei Menſchen<lb/> waren an einander geſunken, um ihren Abſchied zu<lb/> endigen. »Theurer, Geliebter, Unvergeßlicher (ſagt<lb/> »Emanuel) du bewegſt mich zu ſehr — aber wenn<lb/> »ich nach einem Jahre auf dieſem Berge verſcheide,<lb/> »ſo ſollſt du bei mir ſtehen nnd ſehen wie dem<lb/> »Menſchen die Banden abgenommen werden. Deine<lb/> »Thraͤnen werden meine letzten Erden-Schmerzen<lb/> »ſeyn; aber ich werde ſagen, was ich jetzt ſage:<lb/> »wir ſcheiden uns in der Nacht, aber wir finden<lb/> »uns wieder am Tage.« Hier ging er.</p><lb/> <p>Viktor hatte ſich leiſe von den kindlichen Lippen<lb/> losgewunden — er jagte nicht auf ſeinem Nacht-<lb/> Steige — langſam ging er vor lauter Schlaf vorbei<lb/> — unter ſanft fallenden Thraͤnen ging ſein Auge<lb/> mit den ſchweigenden Sternen auf und unter —<lb/> und um 4 Uhr Morgens kam er mit einer himmli¬<lb/> ſchen Seele in St. Luͤne an und trat in den Gar¬<lb/> ten voll alter Szenen und legte in der bekannten<lb/> Laube das gluͤhende Haupt und das bekaͤmpfte Herz<lb/> in den Thau des Morgens zu einer kuͤhlenden Ruhe<lb/> nieder. . . .</p><lb/> <p>O ruhe, ruhe! — Ach den ewig erſchuͤtterten<lb/> Buſen des Menſchen ſtillet nur ein Schlaf, entwe¬<lb/> der der irrdiſche oder der andre. . . .</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [354/0365]
Die Floͤte hatte aufgehoͤrt, die zwei Menſchen
waren an einander geſunken, um ihren Abſchied zu
endigen. »Theurer, Geliebter, Unvergeßlicher (ſagt
»Emanuel) du bewegſt mich zu ſehr — aber wenn
»ich nach einem Jahre auf dieſem Berge verſcheide,
»ſo ſollſt du bei mir ſtehen nnd ſehen wie dem
»Menſchen die Banden abgenommen werden. Deine
»Thraͤnen werden meine letzten Erden-Schmerzen
»ſeyn; aber ich werde ſagen, was ich jetzt ſage:
»wir ſcheiden uns in der Nacht, aber wir finden
»uns wieder am Tage.« Hier ging er.
Viktor hatte ſich leiſe von den kindlichen Lippen
losgewunden — er jagte nicht auf ſeinem Nacht-
Steige — langſam ging er vor lauter Schlaf vorbei
— unter ſanft fallenden Thraͤnen ging ſein Auge
mit den ſchweigenden Sternen auf und unter —
und um 4 Uhr Morgens kam er mit einer himmli¬
ſchen Seele in St. Luͤne an und trat in den Gar¬
ten voll alter Szenen und legte in der bekannten
Laube das gluͤhende Haupt und das bekaͤmpfte Herz
in den Thau des Morgens zu einer kuͤhlenden Ruhe
nieder. . . .
O ruhe, ruhe! — Ach den ewig erſchuͤtterten
Buſen des Menſchen ſtillet nur ein Schlaf, entwe¬
der der irrdiſche oder der andre. . . .
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