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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795.

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tung ist jener kalte hüpfende Punkt im Dotter des
Herzens, dem die kleinste fremde Wärme oft nach
Jahren -- die Metapher ist aus einem Ei geschlagen
-- wachsendes Leben und Amors Flügel zutheilt.

Er untersuchte jetzt am Arbeitstisch Klotildens
Wärme mit dem Pyrometer; aber ich kann weiter
nicht ausser mir vor Freude seyn, daß er die Wärme
an der ins Kleinste abgetheilten Skala wenigstens
um Linie gestiegen fand. Denn er schießet wohl
fehl: ich will lieber auf den Stirnmesser Lava¬
ters bauen als auf den Herz- und Wärmemes¬
ser
eines Liebe suchenden Menschen, der seine Aus¬
legungen mit seinen Observationen vermengt und Zu¬
fälle mit Absichten. Sein Feuermesser kann auch
Recht haben: denn gegen gute Menschen ist man im
Beiseyn der schlimmen (man bedenke nur Mazen)
wärmer als sonst.

Man verdenk' es Herrn Le Baut und Frau Le
Baut nicht, daß sie meinem Helden zum Glücke gra¬
tulirten, an einen solchen Hof, zu einem solchen Für¬
sten -- es ist der größte in Deutschland, sagte er --
zu einer solchen Fürstin -- sie ist die beste in
Deutschland, sagte sie -- abzureisen. Maz lächelte
zwischen Ja und Nein. Der Alte setzte das Schach
fort, die Alte das Lob. Viktor sah mit Verach¬
tung, wie wenig zwei solchen Seelen, die die Thron¬
stufen für eine Wesenleiter und den Thron-Eisberg

tung iſt jener kalte huͤpfende Punkt im Dotter des
Herzens, dem die kleinſte fremde Waͤrme oft nach
Jahren — die Metapher iſt aus einem Ei geſchlagen
— wachſendes Leben und Amors Fluͤgel zutheilt.

Er unterſuchte jetzt am Arbeitstiſch Klotildens
Waͤrme mit dem Pyrometer; aber ich kann weiter
nicht auſſer mir vor Freude ſeyn, daß er die Waͤrme
an der ins Kleinſte abgetheilten Skala wenigſtens
um Linie geſtiegen fand. Denn er ſchießet wohl
fehl: ich will lieber auf den Stirnmeſſer Lava¬
ters bauen als auf den Herz- und Waͤrmemeſ¬
ſer
eines Liebe ſuchenden Menſchen, der ſeine Aus¬
legungen mit ſeinen Obſervationen vermengt und Zu¬
faͤlle mit Abſichten. Sein Feuermeſſer kann auch
Recht haben: denn gegen gute Menſchen iſt man im
Beiſeyn der ſchlimmen (man bedenke nur Mazen)
waͤrmer als ſonſt.

Man verdenk' es Herrn Le Baut und Frau Le
Baut nicht, daß ſie meinem Helden zum Gluͤcke gra¬
tulirten, an einen ſolchen Hof, zu einem ſolchen Fuͤr¬
ſten — es iſt der groͤßte in Deutſchland, ſagte er —
zu einer ſolchen Fuͤrſtin — ſie iſt die beſte in
Deutſchland, ſagte ſie — abzureiſen. Maz laͤchelte
zwiſchen Ja und Nein. Der Alte ſetzte das Schach
fort, die Alte das Lob. Viktor ſah mit Verach¬
tung, wie wenig zwei ſolchen Seelen, die die Thron¬
ſtufen fuͤr eine Weſenleiter und den Thron-Eisberg

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[376/0387] tung iſt jener kalte huͤpfende Punkt im Dotter des Herzens, dem die kleinſte fremde Waͤrme oft nach Jahren — die Metapher iſt aus einem Ei geſchlagen — wachſendes Leben und Amors Fluͤgel zutheilt. Er unterſuchte jetzt am Arbeitstiſch Klotildens Waͤrme mit dem Pyrometer; aber ich kann weiter nicht auſſer mir vor Freude ſeyn, daß er die Waͤrme an der ins Kleinſte abgetheilten Skala wenigſtens um [FORMEL] Linie geſtiegen fand. Denn er ſchießet wohl fehl: ich will lieber auf den Stirnmeſſer Lava¬ ters bauen als auf den Herz- und Waͤrmemeſ¬ ſer eines Liebe ſuchenden Menſchen, der ſeine Aus¬ legungen mit ſeinen Obſervationen vermengt und Zu¬ faͤlle mit Abſichten. Sein Feuermeſſer kann auch Recht haben: denn gegen gute Menſchen iſt man im Beiſeyn der ſchlimmen (man bedenke nur Mazen) waͤrmer als ſonſt. Man verdenk' es Herrn Le Baut und Frau Le Baut nicht, daß ſie meinem Helden zum Gluͤcke gra¬ tulirten, an einen ſolchen Hof, zu einem ſolchen Fuͤr¬ ſten — es iſt der groͤßte in Deutſchland, ſagte er — zu einer ſolchen Fuͤrſtin — ſie iſt die beſte in Deutſchland, ſagte ſie — abzureiſen. Maz laͤchelte zwiſchen Ja und Nein. Der Alte ſetzte das Schach fort, die Alte das Lob. Viktor ſah mit Verach¬ tung, wie wenig zwei ſolchen Seelen, die die Thron¬ ſtufen fuͤr eine Weſenleiter und den Thron-Eisberg

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/387>, abgerufen am 20.06.2024.