operire seinen Vater. In den engen Zwischenraum, den sich der Vater von der Wagen- zur Stubenthüre durchführen ließ, muste der Sohn die Lüge drängen, oder vielmehr die Bitte um die Lüge, die die Fami¬ lie seiner Herrlichkeit anhängen sollte, "der Sohn wäre noch nicht da, sondern blos der Okulist, dem der letztere Schlagfluß die Sprache genommen."
Ich und der Leser stehen unter einem solchen Ge¬ dränge von Leuten, daß ich ihm noch nicht einmal so viel sagen können, daß der D. Kuhlpepper dem Lord das linke Auge mit der plumpen Staarnadel so gut wie ausgestochen; -- um also das rechte des geliebten Vaters zu retten, hatte Sebastian sich auf die Kur jener Verarmten gelegt, die schon mit den Augen im Orkus wandeln und nur noch mit vier Sinnen außerhalb des Grabes stehen. --
Als der Sohn die theuere mit einer so langen Nacht bedekte Gestalt, für die es kein Kind und keine Sonne mehr gab, erblikte: so schob er seine Hand, deren Puls von Mitleid, Freude und Hof¬ nung zitterte, der Eymannischen unter und reichte sie eilend hin und drükte die väterliche unter dem fremden Namen. Aber er muste zur Hausthüre wieder hinaus, damit seine bebende Rettungshand auszitterte und er hielt draussen das vor Hofnung pochende Herz mit dem Gedanken an, daß es nicht gerathen werde -- er sah lächelnd an dem zwölf¬
operire ſeinen Vater. In den engen Zwiſchenraum, den ſich der Vater von der Wagen- zur Stubenthuͤre durchfuͤhren ließ, muſte der Sohn die Luͤge draͤngen, oder vielmehr die Bitte um die Luͤge, die die Fami¬ lie ſeiner Herrlichkeit anhaͤngen ſollte, »der Sohn waͤre noch nicht da, ſondern blos der Okuliſt, dem der letztere Schlagfluß die Sprache genommen.«
Ich und der Leſer ſtehen unter einem ſolchen Ge¬ draͤnge von Leuten, daß ich ihm noch nicht einmal ſo viel ſagen koͤnnen, daß der D. Kuhlpepper dem Lord das linke Auge mit der plumpen Staarnadel ſo gut wie ausgeſtochen; — um alſo das rechte des geliebten Vaters zu retten, hatte Sebaſtian ſich auf die Kur jener Verarmten gelegt, die ſchon mit den Augen im Orkus wandeln und nur noch mit vier Sinnen außerhalb des Grabes ſtehen. —
Als der Sohn die theuere mit einer ſo langen Nacht bedekte Geſtalt, fuͤr die es kein Kind und keine Sonne mehr gab, erblikte: ſo ſchob er ſeine Hand, deren Puls von Mitleid, Freude und Hof¬ nung zitterte, der Eymanniſchen unter und reichte ſie eilend hin und druͤkte die vaͤterliche unter dem fremden Namen. Aber er muſte zur Hausthuͤre wieder hinaus, damit ſeine bebende Rettungshand auszitterte und er hielt drauſſen das vor Hofnung pochende Herz mit dem Gedanken an, daß es nicht gerathen werde — er ſah laͤchelnd an dem zwoͤlf¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0042"n="31"/>
operire ſeinen Vater. In den engen Zwiſchenraum,<lb/>
den ſich der Vater von der Wagen- zur Stubenthuͤre<lb/>
durchfuͤhren ließ, muſte der Sohn die Luͤge draͤngen,<lb/>
oder vielmehr die Bitte um die Luͤge, die die Fami¬<lb/>
lie ſeiner Herrlichkeit anhaͤngen ſollte, »der Sohn<lb/>
waͤre noch nicht da, ſondern blos der Okuliſt, dem<lb/>
der letztere Schlagfluß die Sprache genommen.«</p><lb/><p>Ich und der Leſer ſtehen unter einem ſolchen Ge¬<lb/>
draͤnge von Leuten, daß ich ihm noch nicht einmal<lb/>ſo viel ſagen koͤnnen, daß der D. Kuhlpepper dem<lb/>
Lord das linke Auge mit der plumpen Staarnadel<lb/>ſo gut wie ausgeſtochen; — um alſo das rechte des<lb/>
geliebten Vaters zu retten, hatte Sebaſtian ſich auf<lb/>
die Kur jener Verarmten gelegt, die ſchon mit den<lb/>
Augen im Orkus wandeln und nur noch mit vier<lb/>
Sinnen außerhalb des Grabes ſtehen. —</p><lb/><p>Als der Sohn die theuere mit einer ſo langen<lb/>
Nacht bedekte Geſtalt, fuͤr die es kein Kind und<lb/>
keine Sonne mehr gab, erblikte: ſo ſchob er ſeine<lb/>
Hand, deren Puls von Mitleid, Freude und Hof¬<lb/>
nung zitterte, der Eymanniſchen unter und reichte<lb/>ſie eilend hin und druͤkte die vaͤterliche unter dem<lb/>
fremden Namen. Aber er muſte zur Hausthuͤre<lb/>
wieder hinaus, damit ſeine bebende Rettungshand<lb/>
auszitterte und er hielt drauſſen das vor Hofnung<lb/>
pochende Herz mit dem Gedanken an, daß es nicht<lb/>
gerathen werde — er ſah laͤchelnd an dem zwoͤlf¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[31/0042]
operire ſeinen Vater. In den engen Zwiſchenraum,
den ſich der Vater von der Wagen- zur Stubenthuͤre
durchfuͤhren ließ, muſte der Sohn die Luͤge draͤngen,
oder vielmehr die Bitte um die Luͤge, die die Fami¬
lie ſeiner Herrlichkeit anhaͤngen ſollte, »der Sohn
waͤre noch nicht da, ſondern blos der Okuliſt, dem
der letztere Schlagfluß die Sprache genommen.«
Ich und der Leſer ſtehen unter einem ſolchen Ge¬
draͤnge von Leuten, daß ich ihm noch nicht einmal
ſo viel ſagen koͤnnen, daß der D. Kuhlpepper dem
Lord das linke Auge mit der plumpen Staarnadel
ſo gut wie ausgeſtochen; — um alſo das rechte des
geliebten Vaters zu retten, hatte Sebaſtian ſich auf
die Kur jener Verarmten gelegt, die ſchon mit den
Augen im Orkus wandeln und nur noch mit vier
Sinnen außerhalb des Grabes ſtehen. —
Als der Sohn die theuere mit einer ſo langen
Nacht bedekte Geſtalt, fuͤr die es kein Kind und
keine Sonne mehr gab, erblikte: ſo ſchob er ſeine
Hand, deren Puls von Mitleid, Freude und Hof¬
nung zitterte, der Eymanniſchen unter und reichte
ſie eilend hin und druͤkte die vaͤterliche unter dem
fremden Namen. Aber er muſte zur Hausthuͤre
wieder hinaus, damit ſeine bebende Rettungshand
auszitterte und er hielt drauſſen das vor Hofnung
pochende Herz mit dem Gedanken an, daß es nicht
gerathen werde — er ſah laͤchelnd an dem zwoͤlf¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/42>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.