So steigt schon hier im dunkeln Leben der Geist, wie der Barometer schon unter dem trüben Wetter steigt, und wird den Einfluß des lichtern unter den Wolken innen.
-- Ich folge aber deiner Liebe und schreibe dir nicht mehr als Einmal im Winter, wo ich dir die große Nacht erzähle, in der ich meinem blinden Ju¬ lius zum erstenmale sagte, daß ein Ewiger ist -- in jener Nacht, mein Geliebter, zogen mich die Ent¬ zückung und Andacht zu hoch und das dünne Leben wollte reissen. Ich blutete lange. Im Winter, wo an die Stelle der Erben-Reize die des Himmels treten, *) verbiete mir das Gemälde des Sommers nicht.
O mein Sohn! -- ich mußte dir ja schreiben, weil meine Freundin Klotilde klaget, daß sie zum neuen Jahre aus der grünen Laube der Einsamkeit auf den schmutzigen Marktplatz des Hofes gezogen werde -- ihre Seele ist dunkel von Trauer und streckt die Arme nach dem stillen Leben aus, das von ihr genommen wird. Ich weiß nicht, was ein Hof ist -- Du wirst es wissen und ich beschwöre dich, erlöse meine Freundin und lenke die Hand ab, die sie aus St. Lüne ziehen will. Wenn du es
*) Der Dezember begünstigt die Beobachtungen der Astrono¬ men am meisten.
So ſteigt ſchon hier im dunkeln Leben der Geiſt, wie der Barometer ſchon unter dem truͤben Wetter ſteigt, und wird den Einfluß des lichtern unter den Wolken innen.
— Ich folge aber deiner Liebe und ſchreibe dir nicht mehr als Einmal im Winter, wo ich dir die große Nacht erzaͤhle, in der ich meinem blinden Ju¬ lius zum erſtenmale ſagte, daß ein Ewiger iſt — in jener Nacht, mein Geliebter, zogen mich die Ent¬ zuͤckung und Andacht zu hoch und das duͤnne Leben wollte reiſſen. Ich blutete lange. Im Winter, wo an die Stelle der Erben-Reize die des Himmels treten, *) verbiete mir das Gemaͤlde des Sommers nicht.
O mein Sohn! — ich mußte dir ja ſchreiben, weil meine Freundin Klotilde klaget, daß ſie zum neuen Jahre aus der gruͤnen Laube der Einſamkeit auf den ſchmutzigen Marktplatz des Hofes gezogen werde — ihre Seele iſt dunkel von Trauer und ſtreckt die Arme nach dem ſtillen Leben aus, das von ihr genommen wird. Ich weiß nicht, was ein Hof iſt — Du wirſt es wiſſen und ich beſchwoͤre dich, erloͤſe meine Freundin und lenke die Hand ab, die ſie aus St. Luͤne ziehen will. Wenn du es
*) Der Dezember begünſtigt die Beobachtungen der Aſtrono¬ men am meiſten.
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So ſteigt ſchon hier im dunkeln Leben der
Geiſt, wie der Barometer ſchon unter dem truͤben
Wetter ſteigt, und wird den Einfluß des lichtern
unter den Wolken innen.
— Ich folge aber deiner Liebe und ſchreibe dir
nicht mehr als Einmal im Winter, wo ich dir die
große Nacht erzaͤhle, in der ich meinem blinden Ju¬
lius zum erſtenmale ſagte, daß ein Ewiger iſt — in
jener Nacht, mein Geliebter, zogen mich die Ent¬
zuͤckung und Andacht zu hoch und das duͤnne Leben
wollte reiſſen. Ich blutete lange. Im Winter, wo
an die Stelle der Erben-Reize die des Himmels
treten, *) verbiete mir das Gemaͤlde des Sommers
nicht.
O mein Sohn! — ich mußte dir ja ſchreiben,
weil meine Freundin Klotilde klaget, daß ſie zum
neuen Jahre aus der gruͤnen Laube der Einſamkeit
auf den ſchmutzigen Marktplatz des Hofes gezogen
werde — ihre Seele iſt dunkel von Trauer und
ſtreckt die Arme nach dem ſtillen Leben aus, das
von ihr genommen wird. Ich weiß nicht, was ein
Hof iſt — Du wirſt es wiſſen und ich beſchwoͤre
dich, erloͤſe meine Freundin und lenke die Hand ab,
die ſie aus St. Luͤne ziehen will. Wenn du es
*) Der Dezember begünſtigt die Beobachtungen der Aſtrono¬
men am meiſten.
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/118>, abgerufen am 23.11.2024.
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