Tische haben: am ersten säßen und ässen die Anzeiger des Daseyns eines Buchs -- am zweiten die Pausch- und Bogen-Anzeiger seines Werths -- am dritten die Epitomatoren desselben -- am vierten die Sprach¬ meister und Sprachforscher, die unter das Publikum räsonnirende Verzeichnisse fremder Donatschnitzer aus¬ theilen -- am fünften die Opponenten, die ein neues Buch nicht durch ein neues Buch sondern durch ein Blättgen widerlegen -- am sechsten stände die kriti¬ sche Fürstenbank, auf die sich Huber oder Forster oder noch einer setzen könnten, die ein Buch so über¬ schauen wie ein Menschenleben, die die Individua¬ lität desselben auffassen und darstellen, die den Geist des litterarischen Geschöpfes und des Schöpfers zugleich zeichnen und die die Menschwerdung und Verkörperung der göttlichen Schönheit, die die Gestalt eines Individuums annimmt, trennen von der Schönheit und dann aufdecken und verzeihen.
Diese sechs kritischen Bänke, die sechs verschie¬ dene Litteraturzeitungen liefern könnten, werden jetzt übereinander geworfen und gestalten eine. -- So freimüthig ich aber gegen diese Zusammenwerfung von gelehrten 1) Anzeigen, 2) Rezensionen, 3) Aus¬ zügen, 4) Sprach- und 5) Sachkritiken und 6) Kunst¬ urtheilen aufstehe: so gern bin ich bereit, zuzugeste¬ hen, daß die rezensirende Fauna und Konfraterni¬ tät der fünf Tische vielleicht eben so viel Unkrauts
Tiſche haben: am erſten ſaͤßen und aͤſſen die Anzeiger des Daſeyns eines Buchs — am zweiten die Pauſch- und Bogen-Anzeiger ſeines Werths — am dritten die Epitomatoren deſſelben — am vierten die Sprach¬ meiſter und Sprachforſcher, die unter das Publikum raͤſonnirende Verzeichniſſe fremder Donatſchnitzer aus¬ theilen — am fuͤnften die Opponenten, die ein neues Buch nicht durch ein neues Buch ſondern durch ein Blaͤttgen widerlegen — am ſechſten ſtaͤnde die kriti¬ ſche Fuͤrſtenbank, auf die ſich Huber oder Forſter oder noch einer ſetzen koͤnnten, die ein Buch ſo uͤber¬ ſchauen wie ein Menſchenleben, die die Individua¬ litaͤt deſſelben auffaſſen und darſtellen, die den Geiſt des litterariſchen Geſchoͤpfes und des Schoͤpfers zugleich zeichnen und die die Menſchwerdung und Verkoͤrperung der goͤttlichen Schoͤnheit, die die Geſtalt eines Individuums annimmt, trennen von der Schoͤnheit und dann aufdecken und verzeihen.
Dieſe ſechs kritiſchen Baͤnke, die ſechs verſchie¬ dene Litteraturzeitungen liefern koͤnnten, werden jetzt uͤbereinander geworfen und geſtalten eine. — So freimuͤthig ich aber gegen dieſe Zuſammenwerfung von gelehrten 1) Anzeigen, 2) Rezenſionen, 3) Aus¬ zuͤgen, 4) Sprach- und 5) Sachkritiken und 6) Kunſt¬ urtheilen aufſtehe: ſo gern bin ich bereit, zuzugeſte¬ hen, daß die rezenſirende Fauna und Konfraterni¬ taͤt der fuͤnf Tiſche vielleicht eben ſo viel Unkrauts
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Tiſche haben: am erſten ſaͤßen und aͤſſen die Anzeiger
des Daſeyns eines Buchs — am zweiten die Pauſch-
und Bogen-Anzeiger ſeines Werths — am dritten
die Epitomatoren deſſelben — am vierten die Sprach¬
meiſter und Sprachforſcher, die unter das Publikum
raͤſonnirende Verzeichniſſe fremder Donatſchnitzer aus¬
theilen — am fuͤnften die Opponenten, die ein neues
Buch nicht durch ein neues Buch ſondern durch ein
Blaͤttgen widerlegen — am ſechſten ſtaͤnde die kriti¬
ſche Fuͤrſtenbank, auf die ſich Huber oder Forſter
oder noch einer ſetzen koͤnnten, die ein Buch ſo uͤber¬
ſchauen wie ein Menſchenleben, die die Individua¬
litaͤt deſſelben auffaſſen und darſtellen, die den
Geiſt des litterariſchen Geſchoͤpfes und des Schoͤpfers
zugleich zeichnen und die die Menſchwerdung
und Verkoͤrperung der goͤttlichen Schoͤnheit, die die
Geſtalt eines Individuums annimmt, trennen von
der Schoͤnheit und dann aufdecken und verzeihen.
Dieſe ſechs kritiſchen Baͤnke, die ſechs verſchie¬
dene Litteraturzeitungen liefern koͤnnten, werden jetzt
uͤbereinander geworfen und geſtalten eine. — So
freimuͤthig ich aber gegen dieſe Zuſammenwerfung
von gelehrten 1) Anzeigen, 2) Rezenſionen, 3) Aus¬
zuͤgen, 4) Sprach- und 5) Sachkritiken und 6) Kunſt¬
urtheilen aufſtehe: ſo gern bin ich bereit, zuzugeſte¬
hen, daß die rezenſirende Fauna und Konfraterni¬
taͤt der fuͤnf Tiſche vielleicht eben ſo viel Unkrauts
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/137>, abgerufen am 23.11.2024.
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