Fechser ausrotte als sie selber heraus treibt aus ei¬ gnen Keimen, und ich berufe mich auf einen Privat¬ brief von mir, der außer dem Verdacht der Schmei¬ chelei ist und worin ich sie mit einem Fliegenschwam¬ me zusammengesellte, der, obgleich eine (Dinten) Infusion auf ihm Insekten-Heere gebiert, doch die Fliegen ausreutet. -- Aber da unter den Rezen¬ senten auch Autoren sind wie ich, wie unter den por¬ tugisischen Inquisitoren Juden -- und überhaupt da ich Schaltjahre lang darüber sprechen wollte: warum einen Schalttag lang? --
S.
Streiche. "Wer seines Herrn Willen weiß "und thut ihn nicht, soll doppelte Streiche leiden." -- Wer leidet denn die einfachen? der doch nicht, der den Willen nicht weiß und nicht thut? -- also folgt, daß größere Kenntnisse die moralische Schuld nicht erschweren, sondern erst erzeugen! denn in sofern ich eine moralische Verbindlichkeit gar nicht einsehe, ist mein Verstoß dagegen ja nicht klei¬ ner, sondern null. --
Ich will meine eigne Akademie der Wissenschaf¬ ten seyn und mir die folgende Preisfrage aufgeben, die ich selber in einer Prisschrift beantworten will: "Da nur eine Handlung tugendhaft ist, die aus "Liebe zum Guten geschieht: so kann nur eine sün¬
"dig
Fechſer ausrotte als ſie ſelber heraus treibt aus ei¬ gnen Keimen, und ich berufe mich auf einen Privat¬ brief von mir, der außer dem Verdacht der Schmei¬ chelei iſt und worin ich ſie mit einem Fliegenſchwam¬ me zuſammengeſellte, der, obgleich eine (Dinten) Infuſion auf ihm Inſekten-Heere gebiert, doch die Fliegen ausreutet. — Aber da unter den Rezen¬ ſenten auch Autoren ſind wie ich, wie unter den por¬ tugiſiſchen Inquiſitoren Juden — und uͤberhaupt da ich Schaltjahre lang daruͤber ſprechen wollte: warum einen Schalttag lang? —
S.
Streiche. »Wer ſeines Herrn Willen weiß »und thut ihn nicht, ſoll doppelte Streiche leiden.« — Wer leidet denn die einfachen? der doch nicht, der den Willen nicht weiß und nicht thut? — alſo folgt, daß groͤßere Kenntniſſe die moraliſche Schuld nicht erſchweren, ſondern erſt erzeugen! denn in ſofern ich eine moraliſche Verbindlichkeit gar nicht einſehe, iſt mein Verſtoß dagegen ja nicht klei¬ ner, ſondern null. —
Ich will meine eigne Akademie der Wiſſenſchaf¬ ten ſeyn und mir die folgende Preisfrage aufgeben, die ich ſelber in einer Prisſchrift beantworten will: »Da nur eine Handlung tugendhaft iſt, die aus »Liebe zum Guten geſchieht: ſo kann nur eine ſuͤn¬
»dig
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Fechſer ausrotte als ſie ſelber heraus treibt aus ei¬
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brief von mir, der außer dem Verdacht der Schmei¬
chelei iſt und worin ich ſie mit einem Fliegenſchwam¬
me zuſammengeſellte, der, obgleich eine (Dinten)
Infuſion auf ihm Inſekten-Heere gebiert, doch
die Fliegen ausreutet. — Aber da unter den Rezen¬
ſenten auch Autoren ſind wie ich, wie unter den por¬
tugiſiſchen Inquiſitoren Juden — und uͤberhaupt da
ich Schaltjahre lang daruͤber ſprechen wollte: warum
einen Schalttag lang? —
S.
Streiche. »Wer ſeines Herrn Willen weiß
»und thut ihn nicht, ſoll doppelte Streiche leiden.«
— Wer leidet denn die einfachen? der doch nicht,
der den Willen nicht weiß und nicht thut? — alſo
folgt, daß groͤßere Kenntniſſe die moraliſche Schuld
nicht erſchweren, ſondern erſt erzeugen! denn
in ſofern ich eine moraliſche Verbindlichkeit gar
nicht einſehe, iſt mein Verſtoß dagegen ja nicht klei¬
ner, ſondern null. —
Ich will meine eigne Akademie der Wiſſenſchaf¬
ten ſeyn und mir die folgende Preisfrage aufgeben,
die ich ſelber in einer Prisſchrift beantworten will:
»Da nur eine Handlung tugendhaft iſt, die aus
»Liebe zum Guten geſchieht: ſo kann nur eine ſuͤn¬
»dig
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/138>, abgerufen am 27.11.2024.
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