und daß Joachime auf eine eigne Weise kokettirte. Sie lachte uns erhabne Mannspersonen allemal aus, wenn zwei auf einmal bey ihr waren -- eine allein weniger -- ihre Augen überließen es unserer Eigen¬ liebe, das Feuer darinn der Liebe mehr als dem Witze zuzuschreiben -- sie schien alles zu herauszu¬ plaudern was ihr einfiel, aber manches schien ihr nicht einzufallen -- sie war voll Widersprüche und Thorheiten, aber ihre Absichten und ihre Zunei¬ gung blieben doch jedem zweifelhaft -- sie antwortete schnell, aber sie fragte noch schneller. Heute trat sie in Beisein der drei Herren -- zu andern Zeiten im Beisein des ganzen bureau d'esprit -- vor den Spie¬ gel, zog ihre Schminkdose heraus und retuschirte das bunte Dosenstück ihrer Wangen. Man konnte sich gar nicht denken, wie sie aussähe, wenn sie verlegen wäre oder beschämt.
Die Tugend mancher Damen ist ein Donnerhaus, das der elektrische Funke der Liebe zerschlägt und das man wieder zusammenstellt für neue Experimen¬ te: unserm an die höchste weibliche Vollkommenheit verwöhnten Helden kam es vor, als gehöre Joachi¬ me unter jene Donnerhäuser. Koketterie wird immer mit Koketterie beantwortet. Entweder letztere war es oder zu schwache Achtung für Joachime, daß Vik¬ tor die beiden amorosi in den Augen der inamorata lächerlich machte. Sein Sieg war eben so leicht
und daß Joachime auf eine eigne Weiſe kokettirte. Sie lachte uns erhabne Mannsperſonen allemal aus, wenn zwei auf einmal bey ihr waren — eine allein weniger — ihre Augen uͤberließen es unſerer Eigen¬ liebe, das Feuer darinn der Liebe mehr als dem Witze zuzuſchreiben — ſie ſchien alles zu herauszu¬ plaudern was ihr einfiel, aber manches ſchien ihr nicht einzufallen — ſie war voll Widerſpruͤche und Thorheiten, aber ihre Abſichten und ihre Zunei¬ gung blieben doch jedem zweifelhaft — ſie antwortete ſchnell, aber ſie fragte noch ſchneller. Heute trat ſie in Beiſein der drei Herren — zu andern Zeiten im Beiſein des ganzen bureau d'esprit — vor den Spie¬ gel, zog ihre Schminkdoſe heraus und retuſchirte das bunte Doſenſtuͤck ihrer Wangen. Man konnte ſich gar nicht denken, wie ſie ausſaͤhe, wenn ſie verlegen waͤre oder beſchaͤmt.
Die Tugend mancher Damen iſt ein Donnerhaus, das der elektriſche Funke der Liebe zerſchlaͤgt und das man wieder zuſammenſtellt fuͤr neue Experimen¬ te: unſerm an die hoͤchſte weibliche Vollkommenheit verwoͤhnten Helden kam es vor, als gehoͤre Joachi¬ me unter jene Donnerhaͤuſer. Koketterie wird immer mit Koketterie beantwortet. Entweder letztere war es oder zu ſchwache Achtung fuͤr Joachime, daß Vik¬ tor die beiden amorosi in den Augen der inamorata laͤcherlich machte. Sein Sieg war eben ſo leicht
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und daß Joachime auf eine eigne Weiſe kokettirte.
Sie lachte uns erhabne Mannsperſonen allemal aus,
wenn zwei auf einmal bey ihr waren — eine allein
weniger — ihre Augen uͤberließen es unſerer Eigen¬
liebe, das Feuer darinn der Liebe mehr als dem
Witze zuzuſchreiben — ſie ſchien alles zu herauszu¬
plaudern was ihr einfiel, aber manches ſchien ihr
nicht einzufallen — ſie war voll Widerſpruͤche und
Thorheiten, aber ihre Abſichten und ihre Zunei¬
gung blieben doch jedem zweifelhaft — ſie antwortete
ſchnell, aber ſie fragte noch ſchneller. Heute trat ſie
in Beiſein der drei Herren — zu andern Zeiten im
Beiſein des ganzen bureau d'esprit — vor den Spie¬
gel, zog ihre Schminkdoſe heraus und retuſchirte das
bunte Doſenſtuͤck ihrer Wangen. Man konnte ſich
gar nicht denken, wie ſie ausſaͤhe, wenn ſie verlegen
waͤre oder beſchaͤmt.
Die Tugend mancher Damen iſt ein Donnerhaus,
das der elektriſche Funke der Liebe zerſchlaͤgt und
das man wieder zuſammenſtellt fuͤr neue Experimen¬
te: unſerm an die hoͤchſte weibliche Vollkommenheit
verwoͤhnten Helden kam es vor, als gehoͤre Joachi¬
me unter jene Donnerhaͤuſer. Koketterie wird immer
mit Koketterie beantwortet. Entweder letztere war
es oder zu ſchwache Achtung fuͤr Joachime, daß Vik¬
tor die beiden amorosi in den Augen der inamorata
laͤcherlich machte. Sein Sieg war eben ſo leicht
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/156>, abgerufen am 21.11.2024.
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