als groß -- er lagerte sich auf der Stelle des Fein¬ des: mit andern Worten, Joachime gewann ihn lie¬ ber. Denn die Weiber können den nicht leiden, der vor ihren Augen einem andern Geschlechte unterliegt als dem ihrigen. Sie lieben alles, was sie be¬ wundern; und man würde von ihrer Vorliebe für körperliche Tapferkeit weniger satirische Auslegungen gemacht haben: wenn man bedacht hätte, daß sie diese Vorliebe für alles Ausgezeichnete, für ausge¬ zeichnete Reiche, Berühmte, Gelehrte empfinden. Der dürre und runzliche Voltaire hatte so viel Ruhm und Witz, daß wenige Pariser Herzen sein satirisches ausgeschlagen hätten. Noch dazu drückte mein Held seine Achtung für das ganze Geschlecht mit einer Wärme aus, die sich das Individium zueignete; -- auch brachte seine beliebte Simultan- und Tuttilie¬ be, ferner sein in der Trauer über ein verlornes Herz schwimmendes Auge und endlich seine heitere Menschenfreundlichkeit ihm eine Aufmerksamkeit von Joachimen zu wege, die die seinige in dem Grade erregte, daß er sich das nächstemal zu inquiriren vor¬ nahm, was dran wäre. -- --
Das nächstemal war bald da. Sobald ihm die Ankuft der Fürstin vom Apotheker geweissagt war -- denn der war in der kleinen Zukunft des Hofs seine Hexe zu Endor und Kumä und seine delphische Höle -- so ging er hin: denn er fuhr nicht hin. "So
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als groß — er lagerte ſich auf der Stelle des Fein¬ des: mit andern Worten, Joachime gewann ihn lie¬ ber. Denn die Weiber koͤnnen den nicht leiden, der vor ihren Augen einem andern Geſchlechte unterliegt als dem ihrigen. Sie lieben alles, was ſie be¬ wundern; und man wuͤrde von ihrer Vorliebe fuͤr koͤrperliche Tapferkeit weniger ſatiriſche Auslegungen gemacht haben: wenn man bedacht haͤtte, daß ſie dieſe Vorliebe fuͤr alles Ausgezeichnete, fuͤr ausge¬ zeichnete Reiche, Beruͤhmte, Gelehrte empfinden. Der duͤrre und runzliche Voltaire hatte ſo viel Ruhm und Witz, daß wenige Pariſer Herzen ſein ſatiriſches ausgeſchlagen haͤtten. Noch dazu druͤckte mein Held ſeine Achtung fuͤr das ganze Geſchlecht mit einer Waͤrme aus, die ſich das Individium zueignete; — auch brachte ſeine beliebte Simultan- und Tuttilie¬ be, ferner ſein in der Trauer uͤber ein verlornes Herz ſchwimmendes Auge und endlich ſeine heitere Menſchenfreundlichkeit ihm eine Aufmerkſamkeit von Joachimen zu wege, die die ſeinige in dem Grade erregte, daß er ſich das naͤchſtemal zu inquiriren vor¬ nahm, was dran waͤre. — —
Das naͤchſtemal war bald da. Sobald ihm die Ankuft der Fuͤrſtin vom Apotheker geweiſſagt war — denn der war in der kleinen Zukunft des Hofs ſeine Hexe zu Endor und Kumaͤ und ſeine delphiſche Hoͤle — ſo ging er hin: denn er fuhr nicht hin. »So
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als groß — er lagerte ſich auf der Stelle des Fein¬
des: mit andern Worten, Joachime gewann ihn lie¬
ber. Denn die Weiber koͤnnen den nicht leiden, der
vor ihren Augen einem andern Geſchlechte unterliegt
als dem ihrigen. Sie lieben alles, was ſie be¬
wundern; und man wuͤrde von ihrer Vorliebe fuͤr
koͤrperliche Tapferkeit weniger ſatiriſche Auslegungen
gemacht haben: wenn man bedacht haͤtte, daß ſie
dieſe Vorliebe fuͤr alles Ausgezeichnete, fuͤr ausge¬
zeichnete Reiche, Beruͤhmte, Gelehrte empfinden.
Der duͤrre und runzliche Voltaire hatte ſo viel Ruhm
und Witz, daß wenige Pariſer Herzen ſein ſatiriſches
ausgeſchlagen haͤtten. Noch dazu druͤckte mein Held
ſeine Achtung fuͤr das ganze Geſchlecht mit einer
Waͤrme aus, die ſich das Individium zueignete; —
auch brachte ſeine beliebte Simultan- und Tuttilie¬
be, ferner ſein in der Trauer uͤber ein verlornes
Herz ſchwimmendes Auge und endlich ſeine heitere
Menſchenfreundlichkeit ihm eine Aufmerkſamkeit von
Joachimen zu wege, die die ſeinige in dem Grade
erregte, daß er ſich das naͤchſtemal zu inquiriren vor¬
nahm, was dran waͤre. — —
Das naͤchſtemal war bald da. Sobald ihm die
Ankuft der Fuͤrſtin vom Apotheker geweiſſagt war —
denn der war in der kleinen Zukunft des Hofs ſeine
Hexe zu Endor und Kumaͤ und ſeine delphiſche Hoͤle
— ſo ging er hin: denn er fuhr nicht hin. »So
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/157>, abgerufen am 18.12.2024.
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