"lang es noch einen Dekroteur und ein Stein-Pfla¬ "ster giebt, sagt er, fahr ich nicht. Aber von vor¬ "nehmern Leuten wunderts mich, daß sie noch zu "Fuß reisen von einem Flügel des Pallasts in den "andern. Könnte man nicht, so wie die Pennypost "für eine Stadt, eine Equipage für seinen Pallast "einführen? Könnte nicht jeder Sessel ein Tragsessel "seyn, wenn eine Dame die Alpenreise von einem "Zimmer ins andere weniger scheuete? Und verschie¬ "dene Weltumseglerinnen würden es wagen, eine "Lustreise durch einen großen Garten zu machen in "einer zugesperrten Sänfte" -- Viktor reisete ge¬ "rade in einem, nämlich im Schleuneschen: es war noch zu hell und zu schön, um sich wie Nähküssen an die Spieltische zu schrauben. Er sah darin eine kleine bunte Reihe gehen und Joachimen darunter. Er schlug sich zu ihnen. Joachime bezeugte eine malerische Freude über die Wolken-Gruppirung und es stand ihren schönen Augen gut, wenn sie sie da¬ hin hob. Da man nichts Gescheutes zu reden hatte: suchte man etwas Gescheutes zu thun: sobald man ans Karussel ankam. Man setzte sich darauf und ließ es drehen. Viele Damen hatten gar den Muth nicht, diese Drehscheibe zu besteigen -- einige wag¬ ten sich in die Sessel -- bloß Joachime, die eben so verwegen als furchtsam war, beschritt das höl¬ zerne Turnierroß und nahm die Lanze in die Hand
»lang es noch einen Dekroteur und ein Stein-Pfla¬ »ſter giebt, ſagt er, fahr ich nicht. Aber von vor¬ »nehmern Leuten wunderts mich, daß ſie noch zu »Fuß reiſen von einem Fluͤgel des Pallaſts in den »andern. Koͤnnte man nicht, ſo wie die Pennypoſt »fuͤr eine Stadt, eine Equipage fuͤr ſeinen Pallaſt »einfuͤhren? Koͤnnte nicht jeder Seſſel ein Tragſeſſel »ſeyn, wenn eine Dame die Alpenreiſe von einem »Zimmer ins andere weniger ſcheuete? Und verſchie¬ »dene Weltumſeglerinnen wuͤrden es wagen, eine »Luſtreiſe durch einen großen Garten zu machen in »einer zugeſperrten Saͤnfte« — Viktor reiſete ge¬ »rade in einem, naͤmlich im Schleuneſchen: es war noch zu hell und zu ſchoͤn, um ſich wie Naͤhkuͤſſen an die Spieltiſche zu ſchrauben. Er ſah darin eine kleine bunte Reihe gehen und Joachimen darunter. Er ſchlug ſich zu ihnen. Joachime bezeugte eine maleriſche Freude uͤber die Wolken-Gruppirung und es ſtand ihren ſchoͤnen Augen gut, wenn ſie ſie da¬ hin hob. Da man nichts Geſcheutes zu reden hatte: ſuchte man etwas Geſcheutes zu thun: ſobald man ans Karuſſel ankam. Man ſetzte ſich darauf und ließ es drehen. Viele Damen hatten gar den Muth nicht, dieſe Drehſcheibe zu beſteigen — einige wag¬ ten ſich in die Seſſel — bloß Joachime, die eben ſo verwegen als furchtſam war, beſchritt das hoͤl¬ zerne Turnierroß und nahm die Lanze in die Hand
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»lang es noch einen Dekroteur und ein Stein-Pfla¬
»ſter giebt, ſagt er, fahr ich nicht. Aber von vor¬
»nehmern Leuten wunderts mich, daß ſie noch zu
»Fuß reiſen von einem Fluͤgel des Pallaſts in den
»andern. Koͤnnte man nicht, ſo wie die Pennypoſt
»fuͤr eine Stadt, eine Equipage fuͤr ſeinen Pallaſt
»einfuͤhren? Koͤnnte nicht jeder Seſſel ein Tragſeſſel
»ſeyn, wenn eine Dame die Alpenreiſe von einem
»Zimmer ins andere weniger ſcheuete? Und verſchie¬
»dene Weltumſeglerinnen wuͤrden es wagen, eine
»Luſtreiſe durch einen großen Garten zu machen in
»einer zugeſperrten Saͤnfte« — Viktor reiſete ge¬
»rade in einem, naͤmlich im Schleuneſchen: es war
noch zu hell und zu ſchoͤn, um ſich wie Naͤhkuͤſſen
an die Spieltiſche zu ſchrauben. Er ſah darin eine
kleine bunte Reihe gehen und Joachimen darunter.
Er ſchlug ſich zu ihnen. Joachime bezeugte eine
maleriſche Freude uͤber die Wolken-Gruppirung und
es ſtand ihren ſchoͤnen Augen gut, wenn ſie ſie da¬
hin hob. Da man nichts Geſcheutes zu reden hatte:
ſuchte man etwas Geſcheutes zu thun: ſobald man
ans Karuſſel ankam. Man ſetzte ſich darauf und
ließ es drehen. Viele Damen hatten gar den Muth
nicht, dieſe Drehſcheibe zu beſteigen — einige wag¬
ten ſich in die Seſſel — bloß Joachime, die eben
ſo verwegen als furchtſam war, beſchritt das hoͤl¬
zerne Turnierroß und nahm die Lanze in die Hand
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/158>, abgerufen am 24.11.2024.
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