um die Ringe mit einer Grazie wegzuspießen, die schönerer Ringe würdig war. Aber um sich nicht dem Abwerfen der Dreh-Rosinante bloßzugeben, hätte Joachime meinen Helden wie ein Treppen¬ geländer an sich stellen lassen, an den sie sich in der Zeit der Noth anhielt. Die Axebewegung wurde schneller und ihre Furcht größer: sie hielt sich immer fester an und er faßte sie fester an, um ihrer An¬ strengung zuvorzukommen. Mein Held, der sich auf die Taschenspielerkünste und den Hokus Pokus der Weiber recht gut verstand, fand sich leicht in Joachi¬ mens Wieglebische natürliche Magie und "Trunkus Plempsum Schallalei;" noch dazu war das wechsel¬ seitige Andrücken so schnell hin und hergegangen, daß man nicht wußte, hatt' es einen Erfinder oder eine Erfinderin. . . .
Da sie jetzt alle aufs Zimmer sind und ich allein im Garten stehe neben der Roßmühle: so will ich darüber geschickt reflektiren und anmerken, daß die Großen, gleich den Weibern, den Franzosen und den Griechen, große -- Kinder sind. Alle große Philo¬ sophen sind das nämliche und leben, wenn sie sich durch Denken fast umgebracht haben, durch Kinde¬ reien wieder auf, wie z. B. Malebranche that: eben so holen Große zu ihren ernstern edeln Lustbarkeiten durch wahre kindische aus; daher die Steckenpferd- Ritterschaft, die Schaukel, die Kartenhäuser (in
um die Ringe mit einer Grazie wegzuſpießen, die ſchoͤnerer Ringe wuͤrdig war. Aber um ſich nicht dem Abwerfen der Dreh-Roſinante bloßzugeben, haͤtte Joachime meinen Helden wie ein Treppen¬ gelaͤnder an ſich ſtellen laſſen, an den ſie ſich in der Zeit der Noth anhielt. Die Axebewegung wurde ſchneller und ihre Furcht groͤßer: ſie hielt ſich immer feſter an und er faßte ſie feſter an, um ihrer An¬ ſtrengung zuvorzukommen. Mein Held, der ſich auf die Taſchenſpielerkuͤnſte und den Hokus Pokus der Weiber recht gut verſtand, fand ſich leicht in Joachi¬ mens Wieglebiſche natuͤrliche Magie und »Trunkus Plempſum Schallalei;« noch dazu war das wechſel¬ ſeitige Andruͤcken ſo ſchnell hin und hergegangen, daß man nicht wußte, hatt' es einen Erfinder oder eine Erfinderin. . . .
Da ſie jetzt alle aufs Zimmer ſind und ich allein im Garten ſtehe neben der Roßmuͤhle: ſo will ich daruͤber geſchickt reflektiren und anmerken, daß die Großen, gleich den Weibern, den Franzoſen und den Griechen, große — Kinder ſind. Alle große Philo¬ ſophen ſind das naͤmliche und leben, wenn ſie ſich durch Denken faſt umgebracht haben, durch Kinde¬ reien wieder auf, wie z. B. Malebranche that: eben ſo holen Große zu ihren ernſtern edeln Luſtbarkeiten durch wahre kindiſche aus; daher die Steckenpferd- Ritterſchaft, die Schaukel, die Kartenhaͤuſer (in
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um die Ringe mit einer Grazie wegzuſpießen, die
ſchoͤnerer Ringe wuͤrdig war. Aber um ſich nicht
dem Abwerfen der Dreh-Roſinante bloßzugeben,
haͤtte Joachime meinen Helden wie ein Treppen¬
gelaͤnder an ſich ſtellen laſſen, an den ſie ſich in der
Zeit der Noth anhielt. Die Axebewegung wurde
ſchneller und ihre Furcht groͤßer: ſie hielt ſich immer
feſter an und er faßte ſie feſter an, um ihrer An¬
ſtrengung zuvorzukommen. Mein Held, der ſich auf
die Taſchenſpielerkuͤnſte und den Hokus Pokus der
Weiber recht gut verſtand, fand ſich leicht in Joachi¬
mens Wieglebiſche natuͤrliche Magie und »Trunkus
Plempſum Schallalei;« noch dazu war das wechſel¬
ſeitige Andruͤcken ſo ſchnell hin und hergegangen,
daß man nicht wußte, hatt' es einen Erfinder oder
eine Erfinderin. . . .
Da ſie jetzt alle aufs Zimmer ſind und ich allein
im Garten ſtehe neben der Roßmuͤhle: ſo will ich
daruͤber geſchickt reflektiren und anmerken, daß die
Großen, gleich den Weibern, den Franzoſen und den
Griechen, große — Kinder ſind. Alle große Philo¬
ſophen ſind das naͤmliche und leben, wenn ſie ſich
durch Denken faſt umgebracht haben, durch Kinde¬
reien wieder auf, wie z. B. Malebranche that: eben
ſo holen Große zu ihren ernſtern edeln Luſtbarkeiten
durch wahre kindiſche aus; daher die Steckenpferd-
Ritterſchaft, die Schaukel, die Kartenhaͤuſer (in
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/159>, abgerufen am 21.11.2024.
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