Viktor dachte, "meinetwegen sey Joachime nur lebhaft oder kokett, ich passire leicht über Marderei¬ sen hinüber, die ich ja mir vor der Nase stellen sehe" -- passire nur, Viktor, das sichtbare Eisen soll dich eben in das bedeckte treiben. Man kann an derselben Person die Koketterie gegen jeden bemerken und doch ihre gegen sich übersehen, wie die Schöne dem Schmeichler glaubt, den sie für den ausgemachten Schmeichler aller andern hält. -- Er bemerkte, daß Joachime das neue Deckenstück diesen Abend öfters angeschauet hatte; und wußte nicht recht, warum es ihr gefalle: endlich sah er, daß sie nur sich gefalle und daß diese Erhebung ihren Augen schöner lasse als das Niederblicken. Er wollt' es übermüthig untersuchen und sagte zu ihr: "es ist "schade, daß es nicht der Mahler des Vatikans ge¬ "macht hat, damit Sie es öfter ansähen." -- "O, "sagte sie leichtsinnig, ich würde niemals mit an¬ "dern hinaufsehen -- ich liebe das Bewundern "nicht." Später sagte sie: "die Mannspersonen "verstellen sich wenn sie wollen besser als wir; aber "ich sage ihnen eben so wenig Wahrheiten als ich "von ihnen höre." Sie gestand geradezu Koketterie sey das beste Mittel gegen Liebe; und mit der Be¬ merkung, "seine Freimüthigkeit gefall' ihr, aber die ihrige müss' ihm auch gefallen" endigte sie den Be¬ such und den Posttag.
Viktor dachte, »meinetwegen ſey Joachime nur lebhaft oder kokett, ich paſſire leicht uͤber Marderei¬ ſen hinuͤber, die ich ja mir vor der Naſe ſtellen ſehe« — paſſire nur, Viktor, das ſichtbare Eiſen ſoll dich eben in das bedeckte treiben. Man kann an derſelben Perſon die Koketterie gegen jeden bemerken und doch ihre gegen ſich uͤberſehen, wie die Schoͤne dem Schmeichler glaubt, den ſie fuͤr den ausgemachten Schmeichler aller andern haͤlt. — Er bemerkte, daß Joachime das neue Deckenſtuͤck dieſen Abend oͤfters angeſchauet hatte; und wußte nicht recht, warum es ihr gefalle: endlich ſah er, daß ſie nur ſich gefalle und daß dieſe Erhebung ihren Augen ſchoͤner laſſe als das Niederblicken. Er wollt' es uͤbermuͤthig unterſuchen und ſagte zu ihr: »es iſt »ſchade, daß es nicht der Mahler des Vatikans ge¬ »macht hat, damit Sie es oͤfter anſaͤhen.« — »O, »ſagte ſie leichtſinnig, ich wuͤrde niemals mit an¬ »dern hinaufſehen — ich liebe das Bewundern »nicht.« Spaͤter ſagte ſie: »die Mannsperſonen »verſtellen ſich wenn ſie wollen beſſer als wir; aber »ich ſage ihnen eben ſo wenig Wahrheiten als ich »von ihnen hoͤre.« Sie geſtand geradezu Koketterie ſey das beſte Mittel gegen Liebe; und mit der Be¬ merkung, »ſeine Freimuͤthigkeit gefall' ihr, aber die ihrige muͤſſ' ihm auch gefallen« endigte ſie den Be¬ ſuch und den Poſttag.
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Viktor dachte, »meinetwegen ſey Joachime nur
lebhaft oder kokett, ich paſſire leicht uͤber Marderei¬
ſen hinuͤber, die ich ja mir vor der Naſe ſtellen
ſehe« — paſſire nur, Viktor, das ſichtbare Eiſen
ſoll dich eben in das bedeckte treiben. Man
kann an derſelben Perſon die Koketterie gegen jeden
bemerken und doch ihre gegen ſich uͤberſehen, wie
die Schoͤne dem Schmeichler glaubt, den ſie fuͤr den
ausgemachten Schmeichler aller andern haͤlt. — Er
bemerkte, daß Joachime das neue Deckenſtuͤck dieſen
Abend oͤfters angeſchauet hatte; und wußte nicht
recht, warum es ihr gefalle: endlich ſah er, daß ſie
nur ſich gefalle und daß dieſe Erhebung ihren Augen
ſchoͤner laſſe als das Niederblicken. Er wollt' es
uͤbermuͤthig unterſuchen und ſagte zu ihr: »es iſt
»ſchade, daß es nicht der Mahler des Vatikans ge¬
»macht hat, damit Sie es oͤfter anſaͤhen.« — »O,
»ſagte ſie leichtſinnig, ich wuͤrde niemals mit an¬
»dern hinaufſehen — ich liebe das Bewundern
»nicht.« Spaͤter ſagte ſie: »die Mannsperſonen
»verſtellen ſich wenn ſie wollen beſſer als wir; aber
»ich ſage ihnen eben ſo wenig Wahrheiten als ich
»von ihnen hoͤre.« Sie geſtand geradezu Koketterie
ſey das beſte Mittel gegen Liebe; und mit der Be¬
merkung, »ſeine Freimuͤthigkeit gefall' ihr, aber die
ihrige muͤſſ' ihm auch gefallen« endigte ſie den Be¬
ſuch und den Poſttag.
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/162>, abgerufen am 24.11.2024.
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