Gründlichkeit anstreicht. -- -- Ihnen wird es leicht, sich vom Philosophen zu unterscheiden, der denkt und dem die Wahrheitssonne so horizontal in die Augen flammt, daß er darüber weder Weg noch Ge¬ gend sieht. Der Philosoph muß in den wichtigsten Handlungen, in den moralischen, sein eigner Gesetzge¬ ber und Gesetzhalter seyn, ohne daß ihm sein Ge¬ wissen die Gründe dazu sagt. Bei einer Frau ist jede Neigung ein kleines Gewissen und hasset Hete¬ ronomien und sagt weiter keine Gründe, so gut wie das große Gewissen. Und durch diese Gabe, mehr aus eigner Machtvollkommenheit als aus Grün¬ den zu handeln, passen eben die Weiber recht für Männer, weil diese lieber ihnen zehn Befehle als drei Gründe geben.
Ende des Extrablattes darüber.
Was eben so schlimm war, ist daß Joachime ihm endlich, um nur seine Aktenstöße von Beschwerden und Gravamen wegzubringen, die Finger ließ, ohne nur den geringsten Grund dazu zu sagen. Er konnte also keinen Titel seines Besitzstandes aufweisen und hätte im Nothfall niemand gehabt, der ihn darin schützen können.
Es ist aber eine gegründete Rechtsregel oder ein männliches Brokardikon: daß alles fester werde, wenn man darauf bauet und daß uns eine kleine gestohlne
Gruͤndlichkeit anſtreicht. — — Ihnen wird es leicht, ſich vom Philoſophen zu unterſcheiden, der denkt und dem die Wahrheitsſonne ſo horizontal in die Augen flammt, daß er daruͤber weder Weg noch Ge¬ gend ſieht. Der Philoſoph muß in den wichtigſten Handlungen, in den moraliſchen, ſein eigner Geſetzge¬ ber und Geſetzhalter ſeyn, ohne daß ihm ſein Ge¬ wiſſen die Gruͤnde dazu ſagt. Bei einer Frau iſt jede Neigung ein kleines Gewiſſen und haſſet Hete¬ ronomien und ſagt weiter keine Gruͤnde, ſo gut wie das große Gewiſſen. Und durch dieſe Gabe, mehr aus eigner Machtvollkommenheit als aus Gruͤn¬ den zu handeln, paſſen eben die Weiber recht fuͤr Maͤnner, weil dieſe lieber ihnen zehn Befehle als drei Gruͤnde geben.
Ende des Extrablattes daruͤber.
Was eben ſo ſchlimm war, iſt daß Joachime ihm endlich, um nur ſeine Aktenſtoͤße von Beſchwerden und Gravamen wegzubringen, die Finger ließ, ohne nur den geringſten Grund dazu zu ſagen. Er konnte alſo keinen Titel ſeines Beſitzſtandes aufweiſen und haͤtte im Nothfall niemand gehabt, der ihn darin ſchuͤtzen koͤnnen.
Es iſt aber eine gegruͤndete Rechtsregel oder ein maͤnnliches Brokardikon: daß alles feſter werde, wenn man darauf bauet und daß uns eine kleine geſtohlne
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Gruͤndlichkeit anſtreicht. — — Ihnen wird es leicht,
ſich vom Philoſophen zu unterſcheiden, der denkt
und dem die Wahrheitsſonne ſo horizontal in die
Augen flammt, daß er daruͤber weder Weg noch Ge¬
gend ſieht. Der Philoſoph muß in den wichtigſten
Handlungen, in den moraliſchen, ſein eigner Geſetzge¬
ber und Geſetzhalter ſeyn, ohne daß ihm ſein Ge¬
wiſſen die Gruͤnde dazu ſagt. Bei einer Frau iſt
jede Neigung ein kleines Gewiſſen und haſſet Hete¬
ronomien und ſagt weiter keine Gruͤnde, ſo gut
wie das große Gewiſſen. Und durch dieſe Gabe,
mehr aus eigner Machtvollkommenheit als aus Gruͤn¬
den zu handeln, paſſen eben die Weiber recht fuͤr
Maͤnner, weil dieſe lieber ihnen zehn Befehle als
drei Gruͤnde geben.
Ende des Extrablattes daruͤber.
Was eben ſo ſchlimm war, iſt daß Joachime ihm
endlich, um nur ſeine Aktenſtoͤße von Beſchwerden
und Gravamen wegzubringen, die Finger ließ, ohne
nur den geringſten Grund dazu zu ſagen. Er konnte
alſo keinen Titel ſeines Beſitzſtandes aufweiſen und
haͤtte im Nothfall niemand gehabt, der ihn darin
ſchuͤtzen koͤnnen.
Es iſt aber eine gegruͤndete Rechtsregel oder ein
maͤnnliches Brokardikon: daß alles feſter werde, wenn
man darauf bauet und daß uns eine kleine geſtohlne
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/175>, abgerufen am 21.11.2024.
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