Gunst rechtmäßig gehöre, sobald wir um eine größere anhalten. Die Rechtsregel gründet sich darauf daß die Mädgen uns wie den Juden im Handel, allemal die Hälfte abbrechen, und nur ein Paar Finger geben, wenn wir die Hand haben wollen. Hat man aber die Finger: so tritt ein neuer Titel aus den Institutionen ein, der uns die Hand zuerkennt; die Hand giebt ein Recht auf den Arm und der Arm auf alles was dran hängt als accessorium. So müssen diese Dinge betrieben werden, wenn Recht Recht bleiben soll. Es muß überhaupt von mir oder von einem andern ehrlichen Mann ein kleines Lese¬ buch geschrieben werden, worin man dem weiblichen Geschlecht die Modas (Arten) solches zu akquiriren, mit der juristischen Fackel vorträgt und aufhellt. Viele Modi kommen sonst ab. So bin ich z. B. nach dem bürgerlichen Rechte rechtmäßiger Besitzer einer beweglichen Sache, wenn ich sie vor dreißig Jahren gestohlen habe (im Grunde sollt' es eher seyn und es sollte mir nichts schaden, daß ich nicht so früh zu stehlen angefangen) -- eben so fällt mir durch eine Verjährung von 30 Minuten (die Zeit ist rela¬ tiv) alles von einer Schönen rechtmäßig anheim, was ich ihr Bewegliches (und an ihr ist alles beweg¬ lich) entwendet und man kann daher nicht früh ge¬ nug zu stehlen anfangen, weil sonst vor dem Dieb¬ stahl die Verjährung nicht anheben kann.
Gunſt rechtmaͤßig gehoͤre, ſobald wir um eine groͤßere anhalten. Die Rechtsregel gruͤndet ſich darauf daß die Maͤdgen uns wie den Juden im Handel, allemal die Haͤlfte abbrechen, und nur ein Paar Finger geben, wenn wir die Hand haben wollen. Hat man aber die Finger: ſo tritt ein neuer Titel aus den Inſtitutionen ein, der uns die Hand zuerkennt; die Hand giebt ein Recht auf den Arm und der Arm auf alles was dran haͤngt als accessorium. So muͤſſen dieſe Dinge betrieben werden, wenn Recht Recht bleiben ſoll. Es muß uͤberhaupt von mir oder von einem andern ehrlichen Mann ein kleines Leſe¬ buch geſchrieben werden, worin man dem weiblichen Geſchlecht die Modas (Arten) ſolches zu akquiriren, mit der juriſtiſchen Fackel vortraͤgt und aufhellt. Viele Modi kommen ſonſt ab. So bin ich z. B. nach dem buͤrgerlichen Rechte rechtmaͤßiger Beſitzer einer beweglichen Sache, wenn ich ſie vor dreißig Jahren geſtohlen habe (im Grunde ſollt' es eher ſeyn und es ſollte mir nichts ſchaden, daß ich nicht ſo fruͤh zu ſtehlen angefangen) — eben ſo faͤllt mir durch eine Verjaͤhrung von 30 Minuten (die Zeit iſt rela¬ tiv) alles von einer Schoͤnen rechtmaͤßig anheim, was ich ihr Bewegliches (und an ihr iſt alles beweg¬ lich) entwendet und man kann daher nicht fruͤh ge¬ nug zu ſtehlen anfangen, weil ſonſt vor dem Dieb¬ ſtahl die Verjaͤhrung nicht anheben kann.
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Gunſt rechtmaͤßig gehoͤre, ſobald wir um eine groͤßere
anhalten. Die Rechtsregel gruͤndet ſich darauf daß
die Maͤdgen uns wie den Juden im Handel, allemal
die Haͤlfte abbrechen, und nur ein Paar Finger
geben, wenn wir die Hand haben wollen. Hat
man aber die Finger: ſo tritt ein neuer Titel aus
den Inſtitutionen ein, der uns die Hand zuerkennt;
die Hand giebt ein Recht auf den Arm und der
Arm auf alles was dran haͤngt als accessorium. So
muͤſſen dieſe Dinge betrieben werden, wenn Recht
Recht bleiben ſoll. Es muß uͤberhaupt von mir oder
von einem andern ehrlichen Mann ein kleines Leſe¬
buch geſchrieben werden, worin man dem weiblichen
Geſchlecht die Modas (Arten) ſolches zu akquiriren,
mit der juriſtiſchen Fackel vortraͤgt und aufhellt.
Viele Modi kommen ſonſt ab. So bin ich z. B.
nach dem buͤrgerlichen Rechte rechtmaͤßiger Beſitzer
einer beweglichen Sache, wenn ich ſie vor dreißig
Jahren geſtohlen habe (im Grunde ſollt' es eher ſeyn
und es ſollte mir nichts ſchaden, daß ich nicht ſo
fruͤh zu ſtehlen angefangen) — eben ſo faͤllt mir durch
eine Verjaͤhrung von 30 Minuten (die Zeit iſt rela¬
tiv) alles von einer Schoͤnen rechtmaͤßig anheim,
was ich ihr Bewegliches (und an ihr iſt alles beweg¬
lich) entwendet und man kann daher nicht fruͤh ge¬
nug zu ſtehlen anfangen, weil ſonſt vor dem Dieb¬
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/176>, abgerufen am 21.11.2024.
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