ihren Florhut nicht aufbehalten, den sie so liebte und Viktor auch, aber an ihr nicht: denn es war gerade der, den Klotilde getragen, als sie unter dem Konzerte ihre nasse Augen mit dem schwarzen Spi¬ tzenflor verhüllte, der nachher über seine beraubte Au¬ gen immer herüberhing.
Ich will den Courtag beschreiben.
Die hauptsächliche Absicht, warum der Hof um sechs Uhr Abends vorgefahren kam, war die, um neun Uhr recht ärgerlich wieder heimzufahren. Ich kanns aber zehnmal weitläuftiger vortragen:
Um sechs Uhr fuhr Viktor mit der übrigen kom¬ mandirten Brüder- und Schwestergemeine ins Paul¬ linum. Er beneidete oder segnete vielmehr, den Zeugmacher, den Stiefelwixer, den Holzhacker, der Abends seinen Krug Bier, seine Andacht, seine Stol¬ len und seine trompetenden Kinder hatte, desgleichen ihre Weiber, die sich heute schon Morgen genossen, nämlich die marmorirte gesprenkelte Kleiderrinde für den zweiten Feiertag. Im bunten Dunst und Thier¬ kreis stand die Fürstin als Sonne, eben so unglück¬ lich wie ihre Unglücklichen: nur der Traum, dacht' er, kann einen König glücklich machen oder einen Armen unglücklich. Als er sah wie sie alle nach ei¬ nem sparsamen Froschregen von Worten und nach Erfrischungen, d. h. Erhitzungen und Ermattungen, ein Postzug um den andern nach dem Hof- und
Hesperus. II. Th. M
ihren Florhut nicht aufbehalten, den ſie ſo liebte und Viktor auch, aber an ihr nicht: denn es war gerade der, den Klotilde getragen, als ſie unter dem Konzerte ihre naſſe Augen mit dem ſchwarzen Spi¬ tzenflor verhuͤllte, der nachher uͤber ſeine beraubte Au¬ gen immer heruͤberhing.
Ich will den Courtag beſchreiben.
Die hauptſaͤchliche Abſicht, warum der Hof um ſechs Uhr Abends vorgefahren kam, war die, um neun Uhr recht aͤrgerlich wieder heimzufahren. Ich kanns aber zehnmal weitlaͤuftiger vortragen:
Um ſechs Uhr fuhr Viktor mit der uͤbrigen kom¬ mandirten Bruͤder- und Schweſtergemeine ins Paul¬ linum. Er beneidete oder ſegnete vielmehr, den Zeugmacher, den Stiefelwixer, den Holzhacker, der Abends ſeinen Krug Bier, ſeine Andacht, ſeine Stol¬ len und ſeine trompetenden Kinder hatte, desgleichen ihre Weiber, die ſich heute ſchon Morgen genoſſen, naͤmlich die marmorirte geſprenkelte Kleiderrinde fuͤr den zweiten Feiertag. Im bunten Dunſt und Thier¬ kreis ſtand die Fuͤrſtin als Sonne, eben ſo ungluͤck¬ lich wie ihre Ungluͤcklichen: nur der Traum, dacht' er, kann einen Koͤnig gluͤcklich machen oder einen Armen ungluͤcklich. Als er ſah wie ſie alle nach ei¬ nem ſparſamen Froſchregen von Worten und nach Erfriſchungen, d. h. Erhitzungen und Ermattungen, ein Poſtzug um den andern nach dem Hof- und
Heſperus. II. Th. M
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0187"n="177"/>
ihren Florhut nicht aufbehalten, den ſie ſo liebte<lb/>
und Viktor auch, aber an ihr nicht: denn es war<lb/>
gerade der, den Klotilde getragen, als ſie unter dem<lb/>
Konzerte ihre naſſe Augen mit dem ſchwarzen Spi¬<lb/>
tzenflor verhuͤllte, der nachher uͤber ſeine beraubte Au¬<lb/>
gen immer heruͤberhing.</p><lb/><p>Ich will den Courtag beſchreiben.</p><lb/><p>Die hauptſaͤchliche Abſicht, warum der Hof um<lb/>ſechs Uhr Abends vorgefahren kam, war die, um<lb/>
neun Uhr recht aͤrgerlich wieder heimzufahren. Ich<lb/>
kanns aber zehnmal weitlaͤuftiger vortragen:</p><lb/><p>Um ſechs Uhr fuhr Viktor mit der uͤbrigen kom¬<lb/>
mandirten Bruͤder- und Schweſtergemeine ins Paul¬<lb/>
linum. Er beneidete oder ſegnete vielmehr, den<lb/>
Zeugmacher, den Stiefelwixer, den Holzhacker, der<lb/>
Abends ſeinen Krug Bier, ſeine Andacht, ſeine Stol¬<lb/>
len und ſeine trompetenden Kinder hatte, desgleichen<lb/>
ihre Weiber, die ſich heute ſchon Morgen genoſſen,<lb/>
naͤmlich die marmorirte geſprenkelte Kleiderrinde fuͤr<lb/>
den zweiten Feiertag. Im bunten Dunſt und Thier¬<lb/>
kreis ſtand die Fuͤrſtin als Sonne, eben ſo ungluͤck¬<lb/>
lich wie ihre Ungluͤcklichen: nur der Traum, dacht'<lb/>
er, kann einen Koͤnig gluͤcklich machen oder einen<lb/>
Armen ungluͤcklich. Als er ſah wie ſie alle nach ei¬<lb/>
nem ſparſamen Froſchregen von Worten und nach<lb/>
Erfriſchungen, d. h. Erhitzungen und Ermattungen,<lb/>
ein Poſtzug um den andern nach dem Hof- und<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Heſperus. <hirendition="#aq">II</hi>. Th. M<lb/></fw></p></div></div></div></body></text></TEI>
[177/0187]
ihren Florhut nicht aufbehalten, den ſie ſo liebte
und Viktor auch, aber an ihr nicht: denn es war
gerade der, den Klotilde getragen, als ſie unter dem
Konzerte ihre naſſe Augen mit dem ſchwarzen Spi¬
tzenflor verhuͤllte, der nachher uͤber ſeine beraubte Au¬
gen immer heruͤberhing.
Ich will den Courtag beſchreiben.
Die hauptſaͤchliche Abſicht, warum der Hof um
ſechs Uhr Abends vorgefahren kam, war die, um
neun Uhr recht aͤrgerlich wieder heimzufahren. Ich
kanns aber zehnmal weitlaͤuftiger vortragen:
Um ſechs Uhr fuhr Viktor mit der uͤbrigen kom¬
mandirten Bruͤder- und Schweſtergemeine ins Paul¬
linum. Er beneidete oder ſegnete vielmehr, den
Zeugmacher, den Stiefelwixer, den Holzhacker, der
Abends ſeinen Krug Bier, ſeine Andacht, ſeine Stol¬
len und ſeine trompetenden Kinder hatte, desgleichen
ihre Weiber, die ſich heute ſchon Morgen genoſſen,
naͤmlich die marmorirte geſprenkelte Kleiderrinde fuͤr
den zweiten Feiertag. Im bunten Dunſt und Thier¬
kreis ſtand die Fuͤrſtin als Sonne, eben ſo ungluͤck¬
lich wie ihre Ungluͤcklichen: nur der Traum, dacht'
er, kann einen Koͤnig gluͤcklich machen oder einen
Armen ungluͤcklich. Als er ſah wie ſie alle nach ei¬
nem ſparſamen Froſchregen von Worten und nach
Erfriſchungen, d. h. Erhitzungen und Ermattungen,
ein Poſtzug um den andern nach dem Hof- und
Heſperus. II. Th. M
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/187>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.