Adreskalender an die Spieltische eingeschirret wur¬ den -- an jedes Brett kam das nämliche Bunterie- Gespan aller Gesichter -- so wunderte er sich zu al¬ lererst über die allgemeine Geduld; an einem Schwarzen der Hof Goldlüste sind sicher, schwur er, wenn man nur bedenkt, was er anzuhören und auszustehen hat, die Ohren und die Haut, wie an gebratnen Milchferkeln die besten Stücke. Hier muß der Löwe dem Thiere die Haut zum Domino abborgen, das ibm sonst seine abborgte. Hier unter diesen von kleinen Seelen gebückten Gestalten (wie auch Blätter sich krümmen, wenn Blattläuse daran wohnen) kann kein großer, kein kühner Gedanken ge¬ tragen werden, sie können wie Getraide, das sich lagert, nur taube Körner geben.
Vor der Tafel fuhr der Theil des Hofs um die italienische Sonne, der nicht dazu eingeladen war, nach Hause, mißvergnügt über die Langeweile des Spieles, und noch mißvergnügter, daß gerade ge¬ wisse Personen der Langeweile der Tafel gewürdigt waren.
Joachime, an der die zurückhaltende Agnola we¬ nig Vergnügen fand, ging mit ab, aber der Doktor nicht, und ihr Bruder Maz gleichfalls nicht, der die Ehre hatte, hinter der Fürstin Stuhl in der Marschsäule, die sie, ihr Kammerherr, ein Page und ein Hoflakai machten, gerade den Mittelpunkt zu
Adreskalender an die Spieltiſche eingeſchirret wur¬ den — an jedes Brett kam das naͤmliche Bunterie- Geſpan aller Geſichter — ſo wunderte er ſich zu al¬ lererſt uͤber die allgemeine Geduld; an einem Schwarzen der Hof Goldluͤſte ſind ſicher, ſchwur er, wenn man nur bedenkt, was er anzuhoͤren und auszuſtehen hat, die Ohren und die Haut, wie an gebratnen Milchferkeln die beſten Stuͤcke. Hier muß der Loͤwe dem Thiere die Haut zum Domino abborgen, das ibm ſonſt ſeine abborgte. Hier unter dieſen von kleinen Seelen gebuͤckten Geſtalten (wie auch Blaͤtter ſich kruͤmmen, wenn Blattlaͤuſe daran wohnen) kann kein großer, kein kuͤhner Gedanken ge¬ tragen werden, ſie koͤnnen wie Getraide, das ſich lagert, nur taube Koͤrner geben.
Vor der Tafel fuhr der Theil des Hofs um die italieniſche Sonne, der nicht dazu eingeladen war, nach Hauſe, mißvergnuͤgt uͤber die Langeweile des Spieles, und noch mißvergnuͤgter, daß gerade ge¬ wiſſe Perſonen der Langeweile der Tafel gewuͤrdigt waren.
Joachime, an der die zuruͤckhaltende Agnola we¬ nig Vergnuͤgen fand, ging mit ab, aber der Doktor nicht, und ihr Bruder Maz gleichfalls nicht, der die Ehre hatte, hinter der Fuͤrſtin Stuhl in der Marſchſaͤule, die ſie, ihr Kammerherr, ein Page und ein Hoflakai machten, gerade den Mittelpunkt zu
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0188"n="178"/>
Adreskalender an die Spieltiſche eingeſchirret wur¬<lb/>
den — an jedes Brett kam das naͤmliche Bunterie-<lb/>
Geſpan aller Geſichter —ſo wunderte er ſich zu al¬<lb/>
lererſt uͤber die allgemeine Geduld; an einem<lb/>
Schwarzen der Hof Goldluͤſte ſind ſicher, ſchwur er,<lb/>
wenn man nur bedenkt, was er <hirendition="#g">anzuhoͤren</hi> und<lb/><hirendition="#g">auszuſtehen</hi> hat, die <hirendition="#g">Ohren</hi> und die <hirendition="#g">Haut</hi>, wie<lb/>
an gebratnen Milchferkeln die beſten Stuͤcke. Hier<lb/>
muß der Loͤwe dem Thiere die Haut zum Domino<lb/>
abborgen, das ibm ſonſt ſeine abborgte. Hier unter<lb/>
dieſen von kleinen Seelen gebuͤckten Geſtalten (wie<lb/>
auch Blaͤtter ſich kruͤmmen, wenn Blattlaͤuſe daran<lb/>
wohnen) kann kein großer, kein kuͤhner Gedanken ge¬<lb/>
tragen werden, ſie koͤnnen wie Getraide, das ſich<lb/><hirendition="#g">lagert</hi>, nur <hirendition="#g">taube</hi> Koͤrner geben.</p><lb/><p>Vor der Tafel fuhr <hirendition="#g">der</hi> Theil des <hirendition="#g">Hofs</hi> um<lb/>
die italieniſche <hirendition="#g">Sonne</hi>, der nicht dazu eingeladen<lb/>
war, nach Hauſe, mißvergnuͤgt uͤber die Langeweile<lb/>
des Spieles, und noch mißvergnuͤgter, daß gerade ge¬<lb/>
wiſſe Perſonen der Langeweile der Tafel gewuͤrdigt<lb/>
waren.</p><lb/><p>Joachime, an der die zuruͤckhaltende Agnola we¬<lb/>
nig Vergnuͤgen fand, ging mit ab, aber der Doktor<lb/>
nicht, und ihr Bruder Maz gleichfalls nicht, der<lb/>
die Ehre hatte, hinter der Fuͤrſtin Stuhl in der<lb/>
Marſchſaͤule, die ſie, ihr Kammerherr, ein Page und<lb/>
ein Hoflakai machten, gerade den Mittelpunkt zu<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[178/0188]
Adreskalender an die Spieltiſche eingeſchirret wur¬
den — an jedes Brett kam das naͤmliche Bunterie-
Geſpan aller Geſichter — ſo wunderte er ſich zu al¬
lererſt uͤber die allgemeine Geduld; an einem
Schwarzen der Hof Goldluͤſte ſind ſicher, ſchwur er,
wenn man nur bedenkt, was er anzuhoͤren und
auszuſtehen hat, die Ohren und die Haut, wie
an gebratnen Milchferkeln die beſten Stuͤcke. Hier
muß der Loͤwe dem Thiere die Haut zum Domino
abborgen, das ibm ſonſt ſeine abborgte. Hier unter
dieſen von kleinen Seelen gebuͤckten Geſtalten (wie
auch Blaͤtter ſich kruͤmmen, wenn Blattlaͤuſe daran
wohnen) kann kein großer, kein kuͤhner Gedanken ge¬
tragen werden, ſie koͤnnen wie Getraide, das ſich
lagert, nur taube Koͤrner geben.
Vor der Tafel fuhr der Theil des Hofs um
die italieniſche Sonne, der nicht dazu eingeladen
war, nach Hauſe, mißvergnuͤgt uͤber die Langeweile
des Spieles, und noch mißvergnuͤgter, daß gerade ge¬
wiſſe Perſonen der Langeweile der Tafel gewuͤrdigt
waren.
Joachime, an der die zuruͤckhaltende Agnola we¬
nig Vergnuͤgen fand, ging mit ab, aber der Doktor
nicht, und ihr Bruder Maz gleichfalls nicht, der
die Ehre hatte, hinter der Fuͤrſtin Stuhl in der
Marſchſaͤule, die ſie, ihr Kammerherr, ein Page und
ein Hoflakai machten, gerade den Mittelpunkt zu
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/188>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.