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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

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Kinderfreuden, der herunterblickende Sternenhimmel,
der alle dunkeln Wünsche des Menschen wie Blu¬
men zu Nachts magisch beleuchtet, und die Stille
überfüllten und beklemmten seine verlassene Seele
und er drückte die einzige Hand, die ihm jetzt das
Menschengeschlecht reichte. Er fragte sie geradezu
über ihren Kummer. Joachime antwortete sanfter
wie sonst: "ich wollte Sie dasselbe fragen; aber bei
mir ists natürlich." Denn sie hatte, erzählte sie, bei
ihrer Zurückkehr das Gepäcke Klotildens und die
Nachricht der Ankunft und -- was eben der Punkt
ist -- die Kleider ihrer Schwester Giulia, denen
Klotilde bisher eine Stelle unter ihren gegeben, an¬
getroffen. Diese Giulia war, bekanntlich an Klotil¬
dens Herzen verschieden, einen Tag vorher eh' diese
aus Maienthal nach St. Lüne zog.

Ein Chaos durchschoß sein Herz; aber aus dem
Chaos setzte sich bloß die umgesunkne Giulia zusam¬
men -- denn Klotilde wich täglich in ein dunkleres
Heiligthum seiner Seele zurück; -- ihr blasses Luna-
Bild liebkosete mit Stralen einer andern Welt sei¬
nen wunden Nerven und er ließ sich gerne glauben,
Joachime habe ihre Gestalt. In seiner dichterischen
den Weibern so selten verständlichen Erhebung warf
die Erblaßte den Heiligenschein, den ihr Klotilde zu¬
stralte, wieder auf ihre Schwester zurück. Joachime
hatte heute wieder den Brief gelesen den Giulia an

Kinderfreuden, der herunterblickende Sternenhimmel,
der alle dunkeln Wuͤnſche des Menſchen wie Blu¬
men zu Nachts magiſch beleuchtet, und die Stille
uͤberfuͤllten und beklemmten ſeine verlaſſene Seele
und er druͤckte die einzige Hand, die ihm jetzt das
Menſchengeſchlecht reichte. Er fragte ſie geradezu
uͤber ihren Kummer. Joachime antwortete ſanfter
wie ſonſt: »ich wollte Sie daſſelbe fragen; aber bei
mir iſts natuͤrlich.« Denn ſie hatte, erzaͤhlte ſie, bei
ihrer Zuruͤckkehr das Gepaͤcke Klotildens und die
Nachricht der Ankunft und — was eben der Punkt
iſt — die Kleider ihrer Schweſter Giulia, denen
Klotilde bisher eine Stelle unter ihren gegeben, an¬
getroffen. Dieſe Giulia war, bekanntlich an Klotil¬
dens Herzen verſchieden, einen Tag vorher eh' dieſe
aus Maienthal nach St. Luͤne zog.

Ein Chaos durchſchoß ſein Herz; aber aus dem
Chaos ſetzte ſich bloß die umgeſunkne Giulia zuſam¬
men — denn Klotilde wich taͤglich in ein dunkleres
Heiligthum ſeiner Seele zuruͤck; — ihr blaſſes Luna-
Bild liebkoſete mit Stralen einer andern Welt ſei¬
nen wunden Nerven und er ließ ſich gerne glauben,
Joachime habe ihre Geſtalt. In ſeiner dichteriſchen
den Weibern ſo ſelten verſtaͤndlichen Erhebung warf
die Erblaßte den Heiligenſchein, den ihr Klotilde zu¬
ſtralte, wieder auf ihre Schweſter zuruͤck. Joachime
hatte heute wieder den Brief geleſen den Giulia an

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[181/0191] Kinderfreuden, der herunterblickende Sternenhimmel, der alle dunkeln Wuͤnſche des Menſchen wie Blu¬ men zu Nachts magiſch beleuchtet, und die Stille uͤberfuͤllten und beklemmten ſeine verlaſſene Seele und er druͤckte die einzige Hand, die ihm jetzt das Menſchengeſchlecht reichte. Er fragte ſie geradezu uͤber ihren Kummer. Joachime antwortete ſanfter wie ſonſt: »ich wollte Sie daſſelbe fragen; aber bei mir iſts natuͤrlich.« Denn ſie hatte, erzaͤhlte ſie, bei ihrer Zuruͤckkehr das Gepaͤcke Klotildens und die Nachricht der Ankunft und — was eben der Punkt iſt — die Kleider ihrer Schweſter Giulia, denen Klotilde bisher eine Stelle unter ihren gegeben, an¬ getroffen. Dieſe Giulia war, bekanntlich an Klotil¬ dens Herzen verſchieden, einen Tag vorher eh' dieſe aus Maienthal nach St. Luͤne zog. Ein Chaos durchſchoß ſein Herz; aber aus dem Chaos ſetzte ſich bloß die umgeſunkne Giulia zuſam¬ men — denn Klotilde wich taͤglich in ein dunkleres Heiligthum ſeiner Seele zuruͤck; — ihr blaſſes Luna- Bild liebkoſete mit Stralen einer andern Welt ſei¬ nen wunden Nerven und er ließ ſich gerne glauben, Joachime habe ihre Geſtalt. In ſeiner dichteriſchen den Weibern ſo ſelten verſtaͤndlichen Erhebung warf die Erblaßte den Heiligenſchein, den ihr Klotilde zu¬ ſtralte, wieder auf ihre Schweſter zuruͤck. Joachime hatte heute wieder den Brief geleſen den Giulia an

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/191>, abgerufen am 21.11.2024.