mütterlichen -- und durch ihre ganze Parüre noch schöner wurde: denn er liebte Putz an Weibern und haßte ihn an Männern. Seine Achtung nahm durch den Schmerz, daß sie Jenners eigennützige Absichten bei seinen Besuchen (wegen der künftigen Klotilde) mit schönern vermenge und daß man es ihr doch nicht sagen könne, eine gerührte Wärme an. Wie kams, daß ihn dann Agnola an Joachime erinnerte; daß diese der Ableiter der Achtung für jene wurde: und daß alle liebende Gefühle, die ihm die Fürstin gab, zu Wünschen geriethen, Joachime möchte sie verdienen und empfangen?
Mit dieser Seele voll Sehnsucht fuhr er heute ohne Umstände zu dieser Joachime zurück, in deren Hand er bekanntlich eine kleine Wunde gelassen. Er sagte bei ihr: "er müsse als Mörder und Medikus noch heute nach der Wunde sehen;" aber wie Son¬ nenschein fiel ein schöner neuer Kummer auf Joachi¬ mens Angesicht wärmend in seine Seele. Er konnt es kaum erwarten, mit ihr auf den Balkon hinaus¬ zukommen, um darüber zu reden. Draussen machte er in wenig Minuten die Schnittwunde und die De¬ zemberkälte zum Vorwand, die Hand und den Schnitt in seine zu nehmen, um sie zu wärmen: "Wunden schadet Kälte" sagte er; aber der feine Narr hätte hier das Seinige dabei gedacht. Der leere Abend, die Erinnerungen an die Weihnachts-
muͤtterlichen — und durch ihre ganze Paruͤre noch ſchoͤner wurde: denn er liebte Putz an Weibern und haßte ihn an Maͤnnern. Seine Achtung nahm durch den Schmerz, daß ſie Jenners eigennuͤtzige Abſichten bei ſeinen Beſuchen (wegen der kuͤnftigen Klotilde) mit ſchoͤnern vermenge und daß man es ihr doch nicht ſagen koͤnne, eine geruͤhrte Waͤrme an. Wie kams, daß ihn dann Agnola an Joachime erinnerte; daß dieſe der Ableiter der Achtung fuͤr jene wurde: und daß alle liebende Gefuͤhle, die ihm die Fuͤrſtin gab, zu Wuͤnſchen geriethen, Joachime moͤchte ſie verdienen und empfangen?
Mit dieſer Seele voll Sehnſucht fuhr er heute ohne Umſtaͤnde zu dieſer Joachime zuruͤck, in deren Hand er bekanntlich eine kleine Wunde gelaſſen. Er ſagte bei ihr: »er muͤſſe als Moͤrder und Medikus noch heute nach der Wunde ſehen;« aber wie Son¬ nenſchein fiel ein ſchoͤner neuer Kummer auf Joachi¬ mens Angeſicht waͤrmend in ſeine Seele. Er konnt es kaum erwarten, mit ihr auf den Balkon hinaus¬ zukommen, um daruͤber zu reden. Drauſſen machte er in wenig Minuten die Schnittwunde und die De¬ zemberkaͤlte zum Vorwand, die Hand und den Schnitt in ſeine zu nehmen, um ſie zu waͤrmen: »Wunden ſchadet Kaͤlte« ſagte er; aber der feine Narr haͤtte hier das Seinige dabei gedacht. Der leere Abend, die Erinnerungen an die Weihnachts-
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muͤtterlichen — und durch ihre ganze Paruͤre noch
ſchoͤner wurde: denn er liebte Putz an Weibern und
haßte ihn an Maͤnnern. Seine Achtung nahm durch
den Schmerz, daß ſie Jenners eigennuͤtzige Abſichten
bei ſeinen Beſuchen (wegen der kuͤnftigen Klotilde)
mit ſchoͤnern vermenge und daß man es ihr doch
nicht ſagen koͤnne, eine geruͤhrte Waͤrme an. Wie
kams, daß ihn dann Agnola an Joachime erinnerte;
daß dieſe der Ableiter der Achtung fuͤr jene wurde:
und daß alle liebende Gefuͤhle, die ihm die Fuͤrſtin
gab, zu Wuͤnſchen geriethen, Joachime moͤchte ſie
verdienen und empfangen?
Mit dieſer Seele voll Sehnſucht fuhr er heute
ohne Umſtaͤnde zu dieſer Joachime zuruͤck, in deren
Hand er bekanntlich eine kleine Wunde gelaſſen. Er
ſagte bei ihr: »er muͤſſe als Moͤrder und Medikus
noch heute nach der Wunde ſehen;« aber wie Son¬
nenſchein fiel ein ſchoͤner neuer Kummer auf Joachi¬
mens Angeſicht waͤrmend in ſeine Seele. Er konnt
es kaum erwarten, mit ihr auf den Balkon hinaus¬
zukommen, um daruͤber zu reden. Drauſſen machte
er in wenig Minuten die Schnittwunde und die De¬
zemberkaͤlte zum Vorwand, die Hand und den
Schnitt in ſeine zu nehmen, um ſie zu waͤrmen:
»Wunden ſchadet Kaͤlte« ſagte er; aber der feine
Narr haͤtte hier das Seinige dabei gedacht. Der
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/190>, abgerufen am 24.11.2024.
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