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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

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entwickelte erhält -- da ihr Weg über keine Billard¬
tafel, sondern über Alpen und Meere geht: so muß
unser kleines Herz sie mißverstehen, es mag hoffen
oder fürchten; es muß in der Aufklärung Morgen-
und Abendröthe gegenseitig verwechseln; es muß im
Vergnügen bald den Nachsommer für den Frühling,
bald den Nachwinter für den Herbst ansehen. Die
moralischen Revolutionen machen uns mehr irre
als die physische, weil jene ihrer Natur nach ei¬
nen größern Spiel- und Zeitraum einnehmen als
diese -- und doch sind die finstern Jahrhunderte
nichts als eine Immersion in den Schatten des Sa¬
turns
oder eine Sonnenfinsterniß ohne Verweilen.
Ein Mensch, der sechstausend Jahre alt wäre, würde
zu den sechs Schöpfungstagen der Weltgeschichte sa¬
gen: sie sind gut.

Man sollte aber niemals moralische und phy¬
sische
Revolutionen und Entwickelungen zu nahe an
einander stellen. Die ganze Natur hat keine andere
Bewegungen als vorige, der Zirkel ist ihre Bahn,
sie hat keine andern Jahre als platonische -- aber
der Mensch allein ist veränderlich und die gerade
Linie oder der Zickzak führen ihn. Eine Sonne hat
so gut wie der Mond ihre Phasen, so gut wie eine
Blume, ihre Blüte und Ablüte, aber auch ihre Pa¬
lingenesie und Erneuerung. Allein im Menschenge¬
schlecht liegt die Nothwendigkeit einer ewigen Ver¬

entwickelte erhaͤlt — da ihr Weg uͤber keine Billard¬
tafel, ſondern uͤber Alpen und Meere geht: ſo muß
unſer kleines Herz ſie mißverſtehen, es mag hoffen
oder fuͤrchten; es muß in der Aufklaͤrung Morgen-
und Abendroͤthe gegenſeitig verwechſeln; es muß im
Vergnuͤgen bald den Nachſommer fuͤr den Fruͤhling,
bald den Nachwinter fuͤr den Herbſt anſehen. Die
moraliſchen Revolutionen machen uns mehr irre
als die phyſiſche, weil jene ihrer Natur nach ei¬
nen groͤßern Spiel- und Zeitraum einnehmen als
dieſe — und doch ſind die finſtern Jahrhunderte
nichts als eine Immerſion in den Schatten des Sa¬
turns
oder eine Sonnenfinſterniß ohne Verweilen.
Ein Menſch, der ſechstauſend Jahre alt waͤre, wuͤrde
zu den ſechs Schoͤpfungstagen der Weltgeſchichte ſa¬
gen: ſie ſind gut.

Man ſollte aber niemals moraliſche und phy¬
ſiſche
Revolutionen und Entwickelungen zu nahe an
einander ſtellen. Die ganze Natur hat keine andere
Bewegungen als vorige, der Zirkel iſt ihre Bahn,
ſie hat keine andern Jahre als platoniſche — aber
der Menſch allein iſt veraͤnderlich und die gerade
Linie oder der Zickzak fuͤhren ihn. Eine Sonne hat
ſo gut wie der Mond ihre Phaſen, ſo gut wie eine
Blume, ihre Bluͤte und Abluͤte, aber auch ihre Pa¬
lingeneſie und Erneuerung. Allein im Menſchenge¬
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[242/0252] entwickelte erhaͤlt — da ihr Weg uͤber keine Billard¬ tafel, ſondern uͤber Alpen und Meere geht: ſo muß unſer kleines Herz ſie mißverſtehen, es mag hoffen oder fuͤrchten; es muß in der Aufklaͤrung Morgen- und Abendroͤthe gegenſeitig verwechſeln; es muß im Vergnuͤgen bald den Nachſommer fuͤr den Fruͤhling, bald den Nachwinter fuͤr den Herbſt anſehen. Die moraliſchen Revolutionen machen uns mehr irre als die phyſiſche, weil jene ihrer Natur nach ei¬ nen groͤßern Spiel- und Zeitraum einnehmen als dieſe — und doch ſind die finſtern Jahrhunderte nichts als eine Immerſion in den Schatten des Sa¬ turns oder eine Sonnenfinſterniß ohne Verweilen. Ein Menſch, der ſechstauſend Jahre alt waͤre, wuͤrde zu den ſechs Schoͤpfungstagen der Weltgeſchichte ſa¬ gen: ſie ſind gut. Man ſollte aber niemals moraliſche und phy¬ ſiſche Revolutionen und Entwickelungen zu nahe an einander ſtellen. Die ganze Natur hat keine andere Bewegungen als vorige, der Zirkel iſt ihre Bahn, ſie hat keine andern Jahre als platoniſche — aber der Menſch allein iſt veraͤnderlich und die gerade Linie oder der Zickzak fuͤhren ihn. Eine Sonne hat ſo gut wie der Mond ihre Phaſen, ſo gut wie eine Blume, ihre Bluͤte und Abluͤte, aber auch ihre Pa¬ lingeneſie und Erneuerung. Allein im Menſchenge¬ ſchlecht liegt die Nothwendigkeit einer ewigen Ver¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/252>, abgerufen am 21.11.2024.