Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.blume; -- gegen Leidende schämt man sich des klein¬ blume; — gegen Leidende ſchaͤmt man ſich des klein¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0262" n="252"/> blume; — gegen Leidende ſchaͤmt man ſich des klein¬<lb/> ſten Eigennutzes. — Unter dem Dialoge, von dem<lb/> ſich die eiferſuͤchtige Julia durch die Unverſtaͤndlich¬<lb/> keit ausgeſchloſſen fand, zupfte ſie an der Bedienten¬<lb/> klingel aus Verdruß: denn Maͤdgen machen ſchon<lb/> um acht Jahre fruͤher Praͤtenſionen als Knaben. Klo¬<lb/> tilde verbot dieſes Gelaͤute durch ein zu ſpaͤtes In¬<lb/> terdikt; die Kleine, erfreuet, daß ſie das hereilende<lb/> Kammermaͤdgen in Motion geſetzt hatte, ſuchte wie¬<lb/> der an der Quaſte zu zupfen. Klotilde ſagte auf<lb/> franzoͤſiſch zum Doktor: »Man darf ihr nichts zu<lb/> »monarchiſch befehlen; jetzt ruht ſie nicht bis ich<lb/> »mein aͤußerſtes Mittel verſuche.« — Julia! ſagte<lb/> ſie noch einmal mit einem weiten von Liebe uͤbergoſ¬<lb/> ſenen Auge; aber umſonſt. »Nun ſterb' ich!« ſagte<lb/> ſie ſchon dahinſterbend und lehnte das ſchoͤne von<lb/> einem ſcheidenden Genius bewohnte Haupt an den<lb/> Stuhl zuruͤck und ſchloß die tugenhaften feuchten<lb/> Augen zu, die nur in einem Himmel wieder auf¬<lb/> zugehen verdienten. Indeß Viktor mit ſchmerzenden<lb/> Augen vor dieſem heiligen Leichnam ſtand und bei<lb/> ſich dachte: »wenn ſie nun nicht mehr erwachte und<lb/> »du die ſtarre Hand vergeblich riſſeſt und es ihr<lb/> »letztes Wort auf dieſer oͤden Erde geweſen waͤre.«<lb/> »Nun ſterbe ich — o Gott, gaͤb' es dann ein ande¬<lb/> »res Mittel fuͤr die Troſtloſigkeit ihres Freundes<lb/> »als ein Schwert und die letzte Wunde? Und ich<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [252/0262]
blume; — gegen Leidende ſchaͤmt man ſich des klein¬
ſten Eigennutzes. — Unter dem Dialoge, von dem
ſich die eiferſuͤchtige Julia durch die Unverſtaͤndlich¬
keit ausgeſchloſſen fand, zupfte ſie an der Bedienten¬
klingel aus Verdruß: denn Maͤdgen machen ſchon
um acht Jahre fruͤher Praͤtenſionen als Knaben. Klo¬
tilde verbot dieſes Gelaͤute durch ein zu ſpaͤtes In¬
terdikt; die Kleine, erfreuet, daß ſie das hereilende
Kammermaͤdgen in Motion geſetzt hatte, ſuchte wie¬
der an der Quaſte zu zupfen. Klotilde ſagte auf
franzoͤſiſch zum Doktor: »Man darf ihr nichts zu
»monarchiſch befehlen; jetzt ruht ſie nicht bis ich
»mein aͤußerſtes Mittel verſuche.« — Julia! ſagte
ſie noch einmal mit einem weiten von Liebe uͤbergoſ¬
ſenen Auge; aber umſonſt. »Nun ſterb' ich!« ſagte
ſie ſchon dahinſterbend und lehnte das ſchoͤne von
einem ſcheidenden Genius bewohnte Haupt an den
Stuhl zuruͤck und ſchloß die tugenhaften feuchten
Augen zu, die nur in einem Himmel wieder auf¬
zugehen verdienten. Indeß Viktor mit ſchmerzenden
Augen vor dieſem heiligen Leichnam ſtand und bei
ſich dachte: »wenn ſie nun nicht mehr erwachte und
»du die ſtarre Hand vergeblich riſſeſt und es ihr
»letztes Wort auf dieſer oͤden Erde geweſen waͤre.«
»Nun ſterbe ich — o Gott, gaͤb' es dann ein ande¬
»res Mittel fuͤr die Troſtloſigkeit ihres Freundes
»als ein Schwert und die letzte Wunde? Und ich
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