Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795."faßte mit der kalten Hand ihre Hand und sagte: Er wollte eben medizinische Hirtenbriefe gegen »faßte mit der kalten Hand ihre Hand und ſagte: Er wollte eben mediziniſche Hirtenbriefe gegen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0263" n="253"/> »faßte mit der kalten Hand ihre Hand und ſagte:<lb/> »ich gehe mit dir!« — indem er ſo dachte und in¬<lb/> dem die Kleine weinend die ſinkende Rechte zog: ſo<lb/> wurde ihr Angeſicht wirklich bleicher und die linke<lb/> gleitete vom Schoos herab — — hier wurde jenes<lb/> Schwert mit der Schaͤrfe uͤber ſein Herz gezogen —<lb/> — Aber bald ſchlug ſie wieder die irren Augen auf,<lb/> todesſchlaftrunken ſich beſinnend und ſchaͤmend. Sie<lb/> beſchoͤnigte die fluͤchtige Ohnmacht durch die Bemer¬<lb/> kung: »ich habe es wie jener Schauſpieler mit der<lb/> »Urne ſeines Kindes, gemacht, ich dachte mich an<lb/> »die Stelle meiner Giulia in ihrer letzten Minute,<lb/> »aber ein wenig zu gluͤcklich.« —</p><lb/> <p>Er wollte eben mediziniſche Hirtenbriefe gegen<lb/> dieſe zernagende Schwaͤrmerei abfaſſen — ſo ſehr<lb/> transponirt eine ungluͤckliche Liebe jedes weibliche<lb/> Herz aus dem <hi rendition="#aq">majore</hi> Ton in den <hi rendition="#aq">minore</hi> Ton, ſo¬<lb/> gar einer Klotilden ihres, deren Stirn maͤnnlich und<lb/> deren Kinn ſich faſt mehr zum Muth als zur Schoͤn¬<lb/> heit erhob — als ganz andre Hirtenbriefe kamen.<lb/> Die Botenmeiſterin derſelben war Viktors <hi rendition="#g">gluͤckli¬<lb/> chere</hi> Freundin — Agathe Lache wieder Leben, du<lb/> Unbefangne, in zwei Herzen, auf welche der Tod ſeinen<lb/> langen fliegenden Schatten geworfen! Sie fiel ver¬<lb/> traut in zwei freundſchaftliche Arme; aber gegen ih¬<lb/> ren Bruder Doktor, der ſo lange ſtatt des ganzen<lb/> Rumpfs nur ſeine Hand d. h. ſeine Briefe nach St.<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [253/0263]
»faßte mit der kalten Hand ihre Hand und ſagte:
»ich gehe mit dir!« — indem er ſo dachte und in¬
dem die Kleine weinend die ſinkende Rechte zog: ſo
wurde ihr Angeſicht wirklich bleicher und die linke
gleitete vom Schoos herab — — hier wurde jenes
Schwert mit der Schaͤrfe uͤber ſein Herz gezogen —
— Aber bald ſchlug ſie wieder die irren Augen auf,
todesſchlaftrunken ſich beſinnend und ſchaͤmend. Sie
beſchoͤnigte die fluͤchtige Ohnmacht durch die Bemer¬
kung: »ich habe es wie jener Schauſpieler mit der
»Urne ſeines Kindes, gemacht, ich dachte mich an
»die Stelle meiner Giulia in ihrer letzten Minute,
»aber ein wenig zu gluͤcklich.« —
Er wollte eben mediziniſche Hirtenbriefe gegen
dieſe zernagende Schwaͤrmerei abfaſſen — ſo ſehr
transponirt eine ungluͤckliche Liebe jedes weibliche
Herz aus dem majore Ton in den minore Ton, ſo¬
gar einer Klotilden ihres, deren Stirn maͤnnlich und
deren Kinn ſich faſt mehr zum Muth als zur Schoͤn¬
heit erhob — als ganz andre Hirtenbriefe kamen.
Die Botenmeiſterin derſelben war Viktors gluͤckli¬
chere Freundin — Agathe Lache wieder Leben, du
Unbefangne, in zwei Herzen, auf welche der Tod ſeinen
langen fliegenden Schatten geworfen! Sie fiel ver¬
traut in zwei freundſchaftliche Arme; aber gegen ih¬
ren Bruder Doktor, der ſo lange ſtatt des ganzen
Rumpfs nur ſeine Hand d. h. ſeine Briefe nach St.
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Zitationshilfe: | Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/263>, abgerufen am 19.07.2024. |