zen, fröhlich aus Tugend, näher und vertrauter mit der Braut aus Kälte, so ungekannt, eigentlich so entbehrlich mit herum geht, wie ihm das schuldlose Paar mit jedem Zeichen der Liebe alles vorrechnet, was er verloren, oder gar aus Schonung diese Zei¬ chen verhehlt, weil es seinen Gram erräth -- gleich einer Lohe fuhr dieser Gedanke wider ihn -- und wie er endlich, weil die beladene Vergangenheit alle seine getödteten Hofnungen und seine entfärbten Wünsche vor ihn trägt, sich umwendet, wenn das geliebte Paar von ihm zum Altar und zum ewigen Bunde geht, wie er sich trostlos umwendet sag' ich, nach den stillen leeren Fluren, um unendlich viel zu weinen und wie er dann so allein und dunkel in der schönen Gegend bleibt und zu sich sagt: "deiner "nimmt sich heute kein Mensch an -- niemand "drückt deine Hand, und niemand sagt: Viktor, "warum weinst du so? -- O dieses Herz ist so voll "unaussprechlicher Liebe wie eines, aber es zerfällt "ungeliebt, und ungekannt und niemand stört sein "Sterben und sein Weinen -- Doch, doch, o Ju¬ "lius, o Klotilde wünsch' ich euch ewiges Glück "und lauter zufriedne Tage" ... Dann konnt' er nicht mehr: er legte die Augen in die Hand und an den Fensterrahmen und erlaubte ihnen alles und dachte nichts mehr: der Schmerz, der wie eine Klap¬ perschlange mit aufgerissenem Rachen ihn und sein
zen, froͤhlich aus Tugend, naͤher und vertrauter mit der Braut aus Kaͤlte, ſo ungekannt, eigentlich ſo entbehrlich mit herum geht, wie ihm das ſchuldloſe Paar mit jedem Zeichen der Liebe alles vorrechnet, was er verloren, oder gar aus Schonung dieſe Zei¬ chen verhehlt, weil es ſeinen Gram erraͤth — gleich einer Lohe fuhr dieſer Gedanke wider ihn — und wie er endlich, weil die beladene Vergangenheit alle ſeine getoͤdteten Hofnungen und ſeine entfaͤrbten Wuͤnſche vor ihn traͤgt, ſich umwendet, wenn das geliebte Paar von ihm zum Altar und zum ewigen Bunde geht, wie er ſich troſtlos umwendet ſag' ich, nach den ſtillen leeren Fluren, um unendlich viel zu weinen und wie er dann ſo allein und dunkel in der ſchoͤnen Gegend bleibt und zu ſich ſagt: »deiner »nimmt ſich heute kein Menſch an — niemand »druͤckt deine Hand, und niemand ſagt: Viktor, »warum weinſt du ſo? — O dieſes Herz iſt ſo voll »unausſprechlicher Liebe wie eines, aber es zerfaͤllt »ungeliebt, und ungekannt und niemand ſtoͤrt ſein »Sterben und ſein Weinen — Doch, doch, o Ju¬ »lius, o Klotilde wuͤnſch' ich euch ewiges Gluͤck »und lauter zufriedne Tage« ... Dann konnt' er nicht mehr: er legte die Augen in die Hand und an den Fenſterrahmen und erlaubte ihnen alles und dachte nichts mehr: der Schmerz, der wie eine Klap¬ perſchlange mit aufgeriſſenem Rachen ihn und ſein
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zen, froͤhlich aus Tugend, naͤher und vertrauter mit
der Braut aus Kaͤlte, ſo ungekannt, eigentlich ſo
entbehrlich mit herum geht, wie ihm das ſchuldloſe
Paar mit jedem Zeichen der Liebe alles vorrechnet,
was er verloren, oder gar aus Schonung dieſe Zei¬
chen verhehlt, weil es ſeinen Gram erraͤth — gleich
einer Lohe fuhr dieſer Gedanke wider ihn — und
wie er endlich, weil die beladene Vergangenheit alle
ſeine getoͤdteten Hofnungen und ſeine entfaͤrbten
Wuͤnſche vor ihn traͤgt, ſich umwendet, wenn das
geliebte Paar von ihm zum Altar und zum ewigen
Bunde geht, wie er ſich troſtlos umwendet ſag' ich,
nach den ſtillen leeren Fluren, um unendlich viel zu
weinen und wie er dann ſo allein und dunkel in
der ſchoͤnen Gegend bleibt und zu ſich ſagt: »deiner
»nimmt ſich heute kein Menſch an — niemand
»druͤckt deine Hand, und niemand ſagt: Viktor,
»warum weinſt du ſo? — O dieſes Herz iſt ſo voll
»unausſprechlicher Liebe wie eines, aber es zerfaͤllt
»ungeliebt, und ungekannt und niemand ſtoͤrt ſein
»Sterben und ſein Weinen — Doch, doch, o Ju¬
»lius, o Klotilde wuͤnſch' ich euch ewiges Gluͤck
»und lauter zufriedne Tage« ... Dann konnt' er
nicht mehr: er legte die Augen in die Hand und an
den Fenſterrahmen und erlaubte ihnen alles und
dachte nichts mehr: der Schmerz, der wie eine Klap¬
perſchlange mit aufgeriſſenem Rachen ihn und ſein
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/273>, abgerufen am 21.11.2024.
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