"Biene, das Blatt seine Mücke und seinen Honig¬ "tropfen -- den ofnen Blumenkelchen hängen die "warmen Thränen, in die sich Wolken zertheilen, "gleichsam in den Augen und meine Blumenbeete "tragen den aufgebauten Regenbogen und sinken "nicht -- Die Wälder liegen saugend am Himmel "und trunken von Wolken stehen alle Gipfel in "stiller Wollust fest -- Ein Zephyr nicht stärker als "ein warmer Seufzer der Liebe hauchet vor unsern "Wangen vorbei unter die rauchenden Kornblüten "und treibt Samen-Staubwolken auf, und ein Lüst¬ "gen ums andre gaukelt und spielt mit den fliegen¬ "den Ernten der Länder, aber es legt sie uns hin, "wenn es gespielt hat -- -- O Geliebter; wenn alles "Liebe ist, alles Harmonie, alles liebend und geliebt, "alle Fluren Ein berauschender Blütenkelch, dann "streckt wohl auch im Menschen der hohe Geist die "Arme aus und will mit ihnen einen Geist um¬ "schlingen und dann, wenn er die Arme nur an "Schatten zusammenlegt, dann wird er sehr traurig "vor unendlicher, vor unaussprechlicher Sehnsucht "nach Liebe." --
Emanuel, ich bin auch traurig, sagte mein Guter.
"Siehe die Sonne zieht hinab, die Erde hüllet "sich zu -- laß mich alles noch sehen und zu dir "sagen . . . . Jetzt fliehet eine weisse Taube, wie
»Biene, das Blatt ſeine Muͤcke und ſeinen Honig¬ »tropfen — den ofnen Blumenkelchen haͤngen die »warmen Thraͤnen, in die ſich Wolken zertheilen, »gleichſam in den Augen und meine Blumenbeete »tragen den aufgebauten Regenbogen und ſinken »nicht — Die Waͤlder liegen ſaugend am Himmel »und trunken von Wolken ſtehen alle Gipfel in »ſtiller Wolluſt feſt — Ein Zephyr nicht ſtaͤrker als »ein warmer Seufzer der Liebe hauchet vor unſern »Wangen vorbei unter die rauchenden Kornbluͤten »und treibt Samen-Staubwolken auf, und ein Luͤſt¬ »gen ums andre gaukelt und ſpielt mit den fliegen¬ »den Ernten der Laͤnder, aber es legt ſie uns hin, »wenn es geſpielt hat — — O Geliebter; wenn alles »Liebe iſt, alles Harmonie, alles liebend und geliebt, »alle Fluren Ein berauſchender Bluͤtenkelch, dann »ſtreckt wohl auch im Menſchen der hohe Geiſt die »Arme aus und will mit ihnen einen Geiſt um¬ »ſchlingen und dann, wenn er die Arme nur an »Schatten zuſammenlegt, dann wird er ſehr traurig »vor unendlicher, vor unausſprechlicher Sehnſucht »nach Liebe.« —
Emanuel, ich bin auch traurig, ſagte mein Guter.
»Siehe die Sonne zieht hinab, die Erde huͤllet »ſich zu — laß mich alles noch ſehen und zu dir »ſagen . . . . Jetzt fliehet eine weiſſe Taube, wie
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»Biene, das Blatt ſeine Muͤcke und ſeinen Honig¬
»tropfen — den ofnen Blumenkelchen haͤngen die
»warmen Thraͤnen, in die ſich Wolken zertheilen,
»gleichſam in den Augen und meine Blumenbeete
»tragen den aufgebauten Regenbogen und ſinken
»nicht — Die Waͤlder liegen ſaugend am Himmel
»und trunken von Wolken ſtehen alle Gipfel in
»ſtiller Wolluſt feſt — Ein Zephyr nicht ſtaͤrker als
»ein warmer Seufzer der Liebe hauchet vor unſern
»Wangen vorbei unter die rauchenden Kornbluͤten
»und treibt Samen-Staubwolken auf, und ein Luͤſt¬
»gen ums andre gaukelt und ſpielt mit den fliegen¬
»den Ernten der Laͤnder, aber es legt ſie uns hin,
»wenn es geſpielt hat — — O Geliebter; wenn alles
»Liebe iſt, alles Harmonie, alles liebend und geliebt,
»alle Fluren Ein berauſchender Bluͤtenkelch, dann
»ſtreckt wohl auch im Menſchen der hohe Geiſt die
»Arme aus und will mit ihnen einen Geiſt um¬
»ſchlingen und dann, wenn er die Arme nur an
»Schatten zuſammenlegt, dann wird er ſehr traurig
»vor unendlicher, vor unausſprechlicher Sehnſucht
»nach Liebe.« —
Emanuel, ich bin auch traurig, ſagte mein
Guter.
»Siehe die Sonne zieht hinab, die Erde huͤllet
»ſich zu — laß mich alles noch ſehen und zu dir
»ſagen . . . . Jetzt fliehet eine weiſſe Taube, wie
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/278>, abgerufen am 21.11.2024.
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