Maz benahm ihm daher seine Bescheidenheit oft. Von Maz vertrug er wie die Flachsenfinger alles, von Viktor nichts: ich erklär' es nur dadurch, weil Viktors Satiren allgemein und passend und für das Vessern waren. Die Menschen vergeben lieber Pa¬ squil als Satire, lieber Verläumdung als Ermah¬ nung, lieber Spotten über Orthodoxe und Aristo¬ kraten als Raisonniren darüber. -- Demungeach¬ tet, ob Zeusel gleich von Matthieu diesesmal wieder gehänselt und geprellet wurde, wollt' ers ihm nicht recht vergeben, sondern bekam das Chiragra darüber.
Es war nämlich kurz vor dem ersten April -- manche haben jährlich 365 erste Aprile -- als der Junker den Apotheker hineinschickte. In St. Lüne waren schon drei Bad- und Trinkgäste angekommen, drei junge wilde Engländer, die sich für Drillinge ausgaben, aber wahrscheinlich nur sukzessive, nicht simultane Brüder waren. Bloß ihre Seelen schie¬ nen Drillinge des Gemein- und Freiheitsgeistes zu seyn; sie waren so republikanisch, daß sie nicht ein¬ mal an dem Hofe erschienen und hielten wie jeder Engländer uns alle (mich und den Leser und den Eloquenz Professor) für Christensklaven und die Frei¬ gelassenen für Steckenknechte. Die Zauberkraft ei¬ nes ähnlichen Herzens trieb bald den Regierungs¬ rath Flamin in ihre kartestanischen Wirbel: sie wa¬ ren kaum acht Tage da, so hatten sie mit ihm schon
Maz benahm ihm daher ſeine Beſcheidenheit oft. Von Maz vertrug er wie die Flachſenfinger alles, von Viktor nichts: ich erklaͤr' es nur dadurch, weil Viktors Satiren allgemein und paſſend und fuͤr das Veſſern waren. Die Menſchen vergeben lieber Pa¬ ſquil als Satire, lieber Verlaͤumdung als Ermah¬ nung, lieber Spotten uͤber Orthodoxe und Ariſto¬ kraten als Raiſonniren daruͤber. — Demungeach¬ tet, ob Zeuſel gleich von Matthieu dieſesmal wieder gehaͤnſelt und geprellet wurde, wollt' ers ihm nicht recht vergeben, ſondern bekam das Chiragra daruͤber.
Es war naͤmlich kurz vor dem erſten April — manche haben jaͤhrlich 365 erſte Aprile — als der Junker den Apotheker hineinſchickte. In St. Luͤne waren ſchon drei Bad- und Trinkgaͤſte angekommen, drei junge wilde Englaͤnder, die ſich fuͤr Drillinge ausgaben, aber wahrſcheinlich nur ſukzeſſive, nicht ſimultane Bruͤder waren. Bloß ihre Seelen ſchie¬ nen Drillinge des Gemein- und Freiheitsgeiſtes zu ſeyn; ſie waren ſo republikaniſch, daß ſie nicht ein¬ mal an dem Hofe erſchienen und hielten wie jeder Englaͤnder uns alle (mich und den Leſer und den Eloquenz Profeſſor) fuͤr Chriſtenſklaven und die Frei¬ gelaſſenen fuͤr Steckenknechte. Die Zauberkraft ei¬ nes aͤhnlichen Herzens trieb bald den Regierungs¬ rath Flamin in ihre karteſtaniſchen Wirbel: ſie wa¬ ren kaum acht Tage da, ſo hatten ſie mit ihm ſchon
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Maz benahm ihm daher ſeine Beſcheidenheit oft.
Von Maz vertrug er wie die Flachſenfinger alles,
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Viktors Satiren allgemein und paſſend und fuͤr das
Veſſern waren. Die Menſchen vergeben lieber Pa¬
ſquil als Satire, lieber Verlaͤumdung als Ermah¬
nung, lieber Spotten uͤber Orthodoxe und Ariſto¬
kraten als Raiſonniren daruͤber. — Demungeach¬
tet, ob Zeuſel gleich von Matthieu dieſesmal wieder
gehaͤnſelt und geprellet wurde, wollt' ers ihm nicht
recht vergeben, ſondern bekam das Chiragra daruͤber.
Es war naͤmlich kurz vor dem erſten April —
manche haben jaͤhrlich 365 erſte Aprile — als der
Junker den Apotheker hineinſchickte. In St. Luͤne
waren ſchon drei Bad- und Trinkgaͤſte angekommen,
drei junge wilde Englaͤnder, die ſich fuͤr Drillinge
ausgaben, aber wahrſcheinlich nur ſukzeſſive, nicht
ſimultane Bruͤder waren. Bloß ihre Seelen ſchie¬
nen Drillinge des Gemein- und Freiheitsgeiſtes zu
ſeyn; ſie waren ſo republikaniſch, daß ſie nicht ein¬
mal an dem Hofe erſchienen und hielten wie jeder
Englaͤnder uns alle (mich und den Leſer und den
Eloquenz Profeſſor) fuͤr Chriſtenſklaven und die Frei¬
gelaſſenen fuͤr Steckenknechte. Die Zauberkraft ei¬
nes aͤhnlichen Herzens trieb bald den Regierungs¬
rath Flamin in ihre karteſtaniſchen Wirbel: ſie wa¬
ren kaum acht Tage da, ſo hatten ſie mit ihm ſchon
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/290>, abgerufen am 21.11.2024.
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