hörte er recht gut. Haller erzählt ähnliche Bei¬ spiele, z. B. von einem Tauben, der allemal einen langen Stock an die Kanzel als Leiter und Steg der Andacht stieß. Seine Taubheit, die ihn eher zu ei¬ nen höchsten Staatsbedienten als zu einem Lehnbe¬ dienten vozirte, wendete ihm gerade den Sieg über andere Wahlkandidaten zu, weil dem Kato dem äl¬ tern -- so hieß sich der lustige Engländer -- seine närrische Stellung gefiel.
Der edle Matthieu, dessen Herz eine eben so dunkle Farbe hatte wie seine Haare und Augen, hing die Drillinge als Köder-Würmgen an die An¬ gel, um den Apotheker zwischen seinem und Flamins Arm nach St. Lüne zu bringen. Zeusel ging freu¬ dig mit und ahndete das Unglück nicht, das ihn er¬ wartete, nämlich seinen Bruder, mit dem ers schon seit vielen Jabren gegen etwas Gewisses ausgemacht hatte, daß sie einander in Gesellschaften gar nicht kennen wollten. Der Balgtreter begrif ohnehin aus Einfalt gar nicht, wie ein so vornehmer Mann wie Zeusel sein Bruder sein könnte und verehrte ihn im Stillen von Weitem: nur eine Sache vertrug er nicht trotz seiner blödsinnigen Geduld, die, daß sich der Apotheker für den Erstgebornen ausgab: bin ich nicht, sagt' er, um eine Viertelselle länger und eine Viertelstunde älter als er?" Er schwur, in der Bi¬ bel sey es verboten, seine Erstgeburt zu verkaufen --
hoͤrte er recht gut. Haller erzaͤhlt aͤhnliche Bei¬ ſpiele, z. B. von einem Tauben, der allemal einen langen Stock an die Kanzel als Leiter und Steg der Andacht ſtieß. Seine Taubheit, die ihn eher zu ei¬ nen hoͤchſten Staatsbedienten als zu einem Lehnbe¬ dienten vozirte, wendete ihm gerade den Sieg uͤber andere Wahlkandidaten zu, weil dem Kato dem aͤl¬ tern — ſo hieß ſich der luſtige Englaͤnder — ſeine naͤrriſche Stellung gefiel.
Der edle Matthieu, deſſen Herz eine eben ſo dunkle Farbe hatte wie ſeine Haare und Augen, hing die Drillinge als Koͤder-Wuͤrmgen an die An¬ gel, um den Apotheker zwiſchen ſeinem und Flamins Arm nach St. Luͤne zu bringen. Zeuſel ging freu¬ dig mit und ahndete das Ungluͤck nicht, das ihn er¬ wartete, naͤmlich ſeinen Bruder, mit dem ers ſchon ſeit vielen Jabren gegen etwas Gewiſſes ausgemacht hatte, daß ſie einander in Geſellſchaften gar nicht kennen wollten. Der Balgtreter begrif ohnehin aus Einfalt gar nicht, wie ein ſo vornehmer Mann wie Zeuſel ſein Bruder ſein koͤnnte und verehrte ihn im Stillen von Weitem: nur eine Sache vertrug er nicht trotz ſeiner bloͤdſinnigen Geduld, die, daß ſich der Apotheker fuͤr den Erſtgebornen ausgab: bin ich nicht, ſagt' er, um eine Viertelſelle laͤnger und eine Viertelſtunde aͤlter als er?« Er ſchwur, in der Bi¬ bel ſey es verboten, ſeine Erſtgeburt zu verkaufen —
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hoͤrte er recht gut. Haller erzaͤhlt aͤhnliche Bei¬
ſpiele, z. B. von einem Tauben, der allemal einen
langen Stock an die Kanzel als Leiter und Steg der
Andacht ſtieß. Seine Taubheit, die ihn eher zu ei¬
nen hoͤchſten Staatsbedienten als zu einem Lehnbe¬
dienten vozirte, wendete ihm gerade den Sieg uͤber
andere Wahlkandidaten zu, weil dem Kato dem aͤl¬
tern — ſo hieß ſich der luſtige Englaͤnder — ſeine
naͤrriſche Stellung gefiel.
Der edle Matthieu, deſſen Herz eine eben ſo
dunkle Farbe hatte wie ſeine Haare und Augen,
hing die Drillinge als Koͤder-Wuͤrmgen an die An¬
gel, um den Apotheker zwiſchen ſeinem und Flamins
Arm nach St. Luͤne zu bringen. Zeuſel ging freu¬
dig mit und ahndete das Ungluͤck nicht, das ihn er¬
wartete, naͤmlich ſeinen Bruder, mit dem ers ſchon
ſeit vielen Jabren gegen etwas Gewiſſes ausgemacht
hatte, daß ſie einander in Geſellſchaften gar nicht
kennen wollten. Der Balgtreter begrif ohnehin aus
Einfalt gar nicht, wie ein ſo vornehmer Mann wie
Zeuſel ſein Bruder ſein koͤnnte und verehrte ihn im
Stillen von Weitem: nur eine Sache vertrug er
nicht trotz ſeiner bloͤdſinnigen Geduld, die, daß ſich
der Apotheker fuͤr den Erſtgebornen ausgab: bin ich
nicht, ſagt' er, um eine Viertelſelle laͤnger und eine
Viertelſtunde aͤlter als er?« Er ſchwur, in der Bi¬
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/292>, abgerufen am 21.11.2024.
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