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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

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drei Vierteljahren im Abendglanze des Sommers und
der Hofnung, so fröhlich über diese Häuser geblickt
habe -- ich beschrieb' es auch am Ende eines Heft¬
lein -- und er verglich seine damaligen Prospekte
mit seiner heutigen Wüste; er sagte entlich: "sage
"dir's nur gerade zu, was du hast und willst --
"du hast nämlich nichts mehr, kein geliebtes und
"liebendes Herz in der ganzen Stadt -- aber du
"willst noch einmal nach St. Lüne marschiren und
"ganz verarmt vom blassen Engel, den dein ausge¬
"stohlnes Herz nicht vergessen kann, den zweiten
"Abschied nehmen, wie du der Sonne nachsteigst
"und sie, wenn du ihren Untergang aus einem Thale
"gesehen, noch einmal auf einem Berge sinken
"siehest." . . . .

Fünf halbe Sabbatherwege vom Dorfe erblickte
er den Hofkaplan von einem Katechumenen (sowohl
des Schneiderhandwerks als des Christenthums) ge¬
jagt. Vergeblich suchte er und der junge Schneider
den vorausgesetzten Seelenhirten zu erlaufen. Der
Hirt kantonirte nicht eher als bis der Junge in sein
Haus war: ein Hundert und Zwanzigpfünder (das
ist mein physisches Gewicht) bekömmt nicht mehr äst¬
hetisches, wenn er die unbedeutende Ursache des un¬
bedeutenden Rennens so lange bei sich behält und es
nicht eher sagt als jetzt, daß der Kaplan durchaus
niemand hinter sich gehen hören konnte, weil er be¬

drei Vierteljahren im Abendglanze des Sommers und
der Hofnung, ſo froͤhlich uͤber dieſe Haͤuſer geblickt
habe — ich beſchrieb' es auch am Ende eines Heft¬
lein — und er verglich ſeine damaligen Proſpekte
mit ſeiner heutigen Wuͤſte; er ſagte entlich: »ſage
»dir's nur gerade zu, was du haſt und willſt
»du haſt naͤmlich nichts mehr, kein geliebtes und
»liebendes Herz in der ganzen Stadt — aber du
»willſt noch einmal nach St. Luͤne marſchiren und
»ganz verarmt vom blaſſen Engel, den dein ausge¬
»ſtohlnes Herz nicht vergeſſen kann, den zweiten
»Abſchied nehmen, wie du der Sonne nachſteigſt
»und ſie, wenn du ihren Untergang aus einem Thale
»geſehen, noch einmal auf einem Berge ſinken
»ſieheſt.« . . . .

Fuͤnf halbe Sabbatherwege vom Dorfe erblickte
er den Hofkaplan von einem Katechumenen (ſowohl
des Schneiderhandwerks als des Chriſtenthums) ge¬
jagt. Vergeblich ſuchte er und der junge Schneider
den vorausgeſetzten Seelenhirten zu erlaufen. Der
Hirt kantonirte nicht eher als bis der Junge in ſein
Haus war: ein Hundert und Zwanzigpfuͤnder (das
iſt mein phyſiſches Gewicht) bekoͤmmt nicht mehr aͤſt¬
hetiſches, wenn er die unbedeutende Urſache des un¬
bedeutenden Rennens ſo lange bei ſich behaͤlt und es
nicht eher ſagt als jetzt, daß der Kaplan durchaus
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[327/0337] drei Vierteljahren im Abendglanze des Sommers und der Hofnung, ſo froͤhlich uͤber dieſe Haͤuſer geblickt habe — ich beſchrieb' es auch am Ende eines Heft¬ lein — und er verglich ſeine damaligen Proſpekte mit ſeiner heutigen Wuͤſte; er ſagte entlich: »ſage »dir's nur gerade zu, was du haſt und willſt — »du haſt naͤmlich nichts mehr, kein geliebtes und »liebendes Herz in der ganzen Stadt — aber du »willſt noch einmal nach St. Luͤne marſchiren und »ganz verarmt vom blaſſen Engel, den dein ausge¬ »ſtohlnes Herz nicht vergeſſen kann, den zweiten »Abſchied nehmen, wie du der Sonne nachſteigſt »und ſie, wenn du ihren Untergang aus einem Thale »geſehen, noch einmal auf einem Berge ſinken »ſieheſt.« . . . . Fuͤnf halbe Sabbatherwege vom Dorfe erblickte er den Hofkaplan von einem Katechumenen (ſowohl des Schneiderhandwerks als des Chriſtenthums) ge¬ jagt. Vergeblich ſuchte er und der junge Schneider den vorausgeſetzten Seelenhirten zu erlaufen. Der Hirt kantonirte nicht eher als bis der Junge in ſein Haus war: ein Hundert und Zwanzigpfuͤnder (das iſt mein phyſiſches Gewicht) bekoͤmmt nicht mehr aͤſt¬ hetiſches, wenn er die unbedeutende Urſache des un¬ bedeutenden Rennens ſo lange bei ſich behaͤlt und es nicht eher ſagt als jetzt, daß der Kaplan durchaus niemand hinter ſich gehen hoͤren konnte, weil er be¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/337>, abgerufen am 28.11.2024.