mich nicht sondern gieb mir meine Thräne" -- Alle seine gefangnen Thränen wurden um sein Herz versammelt und sein ganzes Innere schwamm aus dem Boden gehoben, sanft in Thränen -- Aber er faßte sich: "kannst du noch nicht entbehren, (sagt' "er zu sich,) nicht einmal ein nasses Auge? Nein, "mit einem trocknen nimm dieses beklommene Echo "deiner ganzen Brust, nimm diesen Nachhall aus "Arkadien und alle diese weinenden Laute in eine "zerstörte Seele auf" -- Unter einer solchen über¬ hüllten Zerfließung, die er oft für Fassung nahm, wars allemal in ihm als wenn ihn aus einer fernen Gegend eine brechende Stimme anredete, deren Worte den Sylbenfall von Versen hatte: die bre¬ chende Stimme redete ihn wieder an: "Sind nicht "diese Töne aus verklungenen Hofnungen gemacht? "Rinnen nicht diese Laute, Horion, wie Menschen¬ "tage in einander? O blicke nicht auf dein Herz, in "das stäubende Herz malen sich wie in einen Nebel "die vorigen schimmernden Zeilen hinein" -- Gleichwohl antwortete er noch: "das Leben ist ja zu "kurz für zwei Thränen, für die des Kummers und "für die andre." . . . . Aber als jetzt die weisse Taube, die Emanuel im Gottesacker niederfallen sah, durch seine Phantasie flog -- als er dachte, "diese "Taube hat ja schon in meinem Traum von Klotil¬ "den geflattert und sich an die Eisberge geklammert;
"ach
mich nicht ſondern gieb mir meine Thraͤne« — Alle ſeine gefangnen Thraͤnen wurden um ſein Herz verſammelt und ſein ganzes Innere ſchwamm aus dem Boden gehoben, ſanft in Thraͤnen — Aber er faßte ſich: »kannſt du noch nicht entbehren, (ſagt' »er zu ſich,) nicht einmal ein naſſes Auge? Nein, »mit einem trocknen nimm dieſes beklommene Echo »deiner ganzen Bruſt, nimm dieſen Nachhall aus »Arkadien und alle dieſe weinenden Laute in eine »zerſtoͤrte Seele auf« — Unter einer ſolchen uͤber¬ huͤllten Zerfließung, die er oft fuͤr Faſſung nahm, wars allemal in ihm als wenn ihn aus einer fernen Gegend eine brechende Stimme anredete, deren Worte den Sylbenfall von Verſen hatte: die bre¬ chende Stimme redete ihn wieder an: »Sind nicht »dieſe Toͤne aus verklungenen Hofnungen gemacht? »Rinnen nicht dieſe Laute, Horion, wie Menſchen¬ »tage in einander? O blicke nicht auf dein Herz, in »das ſtaͤubende Herz malen ſich wie in einen Nebel »die vorigen ſchimmernden Zeilen hinein« — Gleichwohl antwortete er noch: »das Leben iſt ja zu »kurz fuͤr zwei Thraͤnen, fuͤr die des Kummers und »fuͤr die andre.« . . . . Aber als jetzt die weiſſe Taube, die Emanuel im Gottesacker niederfallen ſah, durch ſeine Phantaſie flog — als er dachte, »dieſe »Taube hat ja ſchon in meinem Traum von Klotil¬ »den geflattert und ſich an die Eisberge geklammert;
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mich nicht ſondern gieb mir meine Thraͤne« —
Alle ſeine gefangnen Thraͤnen wurden um ſein Herz
verſammelt und ſein ganzes Innere ſchwamm aus
dem Boden gehoben, ſanft in Thraͤnen — Aber er
faßte ſich: »kannſt du noch nicht entbehren, (ſagt'
»er zu ſich,) nicht einmal ein naſſes Auge? Nein,
»mit einem trocknen nimm dieſes beklommene Echo
»deiner ganzen Bruſt, nimm dieſen Nachhall aus
»Arkadien und alle dieſe weinenden Laute in eine
»zerſtoͤrte Seele auf« — Unter einer ſolchen uͤber¬
huͤllten Zerfließung, die er oft fuͤr Faſſung nahm,
wars allemal in ihm als wenn ihn aus einer fernen
Gegend eine brechende Stimme anredete, deren
Worte den Sylbenfall von Verſen hatte: die bre¬
chende Stimme redete ihn wieder an: »Sind nicht
»dieſe Toͤne aus verklungenen Hofnungen gemacht?
»Rinnen nicht dieſe Laute, Horion, wie Menſchen¬
»tage in einander? O blicke nicht auf dein Herz, in
»das ſtaͤubende Herz malen ſich wie in einen Nebel
»die vorigen ſchimmernden Zeilen hinein« —
Gleichwohl antwortete er noch: »das Leben iſt ja zu
»kurz fuͤr zwei Thraͤnen, fuͤr die des Kummers und
»fuͤr die andre.« . . . . Aber als jetzt die weiſſe
Taube, die Emanuel im Gottesacker niederfallen ſah,
durch ſeine Phantaſie flog — als er dachte, »dieſe
»Taube hat ja ſchon in meinem Traum von Klotil¬
»den geflattert und ſich an die Eisberge geklammert;
»ach
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/378>, abgerufen am 25.11.2024.
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