Busen, der auf seinen Flügeln auseinander fließet, und ziehen ihn von melodischen Fluthen in Fluthen und sinken mit ihm in die fernen Blumen ein, die ein Nebel aus Düften füllt und im dunkeln Duft glimmt die Seele wieder an wie Abendroth, eh' sie seelig untergeht? -- -- --
Ach Horion, ruht die Erde noch unter uns, die ihre Todeshügel um das weite Leben trägt? Zittern diese Töne in einer irrdischen Luft? Ach Tonkunst, die du die Vergangenheit und die Zukunft mit ihren fliegenden Flammen so nahe an unsre Wunden bringst, bist du das Abendwehen aus diesem Leben oder die Morgenluft aus jenem? -- O deine Laute sind Echo, welche Engel den Freudentönen der zweiten Welt abnehmen, um in unser stummes Herz, um in unsre öde Nacht das verwehte Frühlingsgetöne fern von uns fliehender Himmel zu senken! Und du, ver¬ klingender Harmonikaton! du kömmst ja aus einem Jauchzen zu uns, das von Himmel in Himmel ver¬ schlagen, endlich in dem letzten stummen Himmel stirbt, der aus nichts besteht als aus einer tiefen, weiten, ewig stillen Wonne. ...
"Ewig" stille Wonne (wiederholet Horions auf¬ gelöste Seele, deren Entzücken ich bisher zu meinem machte) "ja, dort wird die Gegend liegen, wo ich "meine Augen aufhebe gegen den Allgütigen und "meine Arme ausbreite gegen sie, gegen diese müde
Buſen, der auf ſeinen Fluͤgeln auseinander fließet, und ziehen ihn von melodiſchen Fluthen in Fluthen und ſinken mit ihm in die fernen Blumen ein, die ein Nebel aus Duͤften fuͤllt und im dunkeln Duft glimmt die Seele wieder an wie Abendroth, eh' ſie ſeelig untergeht? — — —
Ach Horion, ruht die Erde noch unter uns, die ihre Todeshuͤgel um das weite Leben traͤgt? Zittern dieſe Toͤne in einer irrdiſchen Luft? Ach Tonkunſt, die du die Vergangenheit und die Zukunft mit ihren fliegenden Flammen ſo nahe an unſre Wunden bringſt, biſt du das Abendwehen aus dieſem Leben oder die Morgenluft aus jenem? — O deine Laute ſind Echo, welche Engel den Freudentoͤnen der zweiten Welt abnehmen, um in unſer ſtummes Herz, um in unſre oͤde Nacht das verwehte Fruͤhlingsgetoͤne fern von uns fliehender Himmel zu ſenken! Und du, ver¬ klingender Harmonikaton! du koͤmmſt ja aus einem Jauchzen zu uns, das von Himmel in Himmel ver¬ ſchlagen, endlich in dem letzten ſtummen Himmel ſtirbt, der aus nichts beſteht als aus einer tiefen, weiten, ewig ſtillen Wonne. ...
»Ewig« ſtille Wonne (wiederholet Horions auf¬ geloͤſte Seele, deren Entzuͤcken ich bisher zu meinem machte) »ja, dort wird die Gegend liegen, wo ich »meine Augen aufhebe gegen den Allguͤtigen und »meine Arme ausbreite gegen ſie, gegen dieſe muͤde
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Buſen, der auf ſeinen Fluͤgeln auseinander fließet,
und ziehen ihn von melodiſchen Fluthen in Fluthen
und ſinken mit ihm in die fernen Blumen ein, die
ein Nebel aus Duͤften fuͤllt und im dunkeln Duft
glimmt die Seele wieder an wie Abendroth, eh' ſie
ſeelig untergeht? — — —
Ach Horion, ruht die Erde noch unter uns, die
ihre Todeshuͤgel um das weite Leben traͤgt? Zittern
dieſe Toͤne in einer irrdiſchen Luft? Ach Tonkunſt,
die du die Vergangenheit und die Zukunft mit ihren
fliegenden Flammen ſo nahe an unſre Wunden
bringſt, biſt du das Abendwehen aus dieſem Leben
oder die Morgenluft aus jenem? — O deine Laute
ſind Echo, welche Engel den Freudentoͤnen der zweiten
Welt abnehmen, um in unſer ſtummes Herz, um in
unſre oͤde Nacht das verwehte Fruͤhlingsgetoͤne fern
von uns fliehender Himmel zu ſenken! Und du, ver¬
klingender Harmonikaton! du koͤmmſt ja aus einem
Jauchzen zu uns, das von Himmel in Himmel ver¬
ſchlagen, endlich in dem letzten ſtummen Himmel
ſtirbt, der aus nichts beſteht als aus einer tiefen,
weiten, ewig ſtillen Wonne. ...
»Ewig« ſtille Wonne (wiederholet Horions auf¬
geloͤſte Seele, deren Entzuͤcken ich bisher zu meinem
machte) »ja, dort wird die Gegend liegen, wo ich
»meine Augen aufhebe gegen den Allguͤtigen und
»meine Arme ausbreite gegen ſie, gegen dieſe muͤde
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/380>, abgerufen am 24.11.2024.
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