lig zum erstenmale, zwei solche Herzen, sie wie ein Engel der vom Himmel niedersank, er wie ein Seeliger, der aus der Erde auferstand, um dem blöden Engel an das Herz zu fallen und mit ihm sprachlos in den Himmel zurückzugehen . . . welche Szene! -- O nur für euch, ihr schönen Seelen, die ihr solche Szenen nie erlebt und doch verdient, mal' ich diese fort!. . . . Wie zwei Seelige vor Gott schauen sie einander in die Augen und in die Seelen -- wie ein Zephyr, den zwei schwankende Rosen fortsetzen, wehet zwischen den zitternden Lip¬ pen der sprachlose Wonne Seufzer, von der Brust in schnellen Zügen eingetrunken und freudig schau¬ ernd in langen ausgezittert -- sie reden nicht, um sich anzublicken, sie heben die Augen auf, um durch den Freudentropfen durchzusehen, und senken sie nie¬ der, um ihn mit den Augenliede abzutrocknen. .. Nein, es ist genug -- o es ist eine andere Thräne die jetzt drückend in dem schönen Herzen liegt, das schweigt und sagen will: ich war niemals glücklich und ich werd' es auch nie!
Viktor hatte ihr soviel zu sagen und hatte so wenig Minuten mehr dazu: gleichwohl machte ihn nicht sowohl die Freude als die Ehrfurcht stumm -- denn heilig ist dem liebenden Herzen die Gestalt, die zu ihm gesagt hat: ich bin dein. -- Denket aber nicht, er wollte etwan die rohe Bitte thun, seinetwegen da zu bleiben: nur die Frage, ob er sie in Maienthal besuchen dürfe, nur die Bitte, daß sie für ihr Genesen sor¬ ge, kann er wagen. Klotilde hatte nur Eine an ihn zu thun, die sie nicht genug überhüllen konnte: näm¬ lich, ihres eifersüchtigen Bruders wegen, sie nicht in Maienthal zu sehen.
Unter dem Zögern der Entzückung schellet der zweite Schlitten. Die Eile nöthigte sie zum Muth -- -- Viktor verwandelte die Bitte in den Wunsch, daß der Frühling die Absicht ihrer Reise
lig zum erſtenmale, zwei ſolche Herzen, ſie wie ein Engel der vom Himmel niederſank, er wie ein Seeliger, der aus der Erde auferſtand, um dem bloͤden Engel an das Herz zu fallen und mit ihm ſprachlos in den Himmel zuruͤckzugehen . . . welche Szene! — O nur fuͤr euch, ihr ſchoͤnen Seelen, die ihr ſolche Szenen nie erlebt und doch verdient, mal' ich dieſe fort!. . . . Wie zwei Seelige vor Gott ſchauen ſie einander in die Augen und in die Seelen — wie ein Zephyr, den zwei ſchwankende Roſen fortſetzen, wehet zwiſchen den zitternden Lip¬ pen der ſprachloſe Wonne Seufzer, von der Bruſt in ſchnellen Zuͤgen eingetrunken und freudig ſchau¬ ernd in langen ausgezittert — ſie reden nicht, um ſich anzublicken, ſie heben die Augen auf, um durch den Freudentropfen durchzuſehen, und ſenken ſie nie¬ der, um ihn mit den Augenliede abzutrocknen. .. Nein, es iſt genug — o es iſt eine andere Thraͤne die jetzt druͤckend in dem ſchoͤnen Herzen liegt, das ſchweigt und ſagen will: ich war niemals gluͤcklich und ich werd' es auch nie!
Viktor hatte ihr ſoviel zu ſagen und hatte ſo wenig Minuten mehr dazu: gleichwohl machte ihn nicht ſowohl die Freude als die Ehrfurcht ſtumm — denn heilig iſt dem liebenden Herzen die Geſtalt, die zu ihm geſagt hat: ich bin dein. — Denket aber nicht, er wollte etwan die rohe Bitte thun, ſeinetwegen da zu bleiben: nur die Frage, ob er ſie in Maienthal beſuchen duͤrfe, nur die Bitte, daß ſie fuͤr ihr Geneſen ſor¬ ge, kann er wagen. Klotilde hatte nur Eine an ihn zu thun, die ſie nicht genug uͤberhuͤllen konnte: naͤm¬ lich, ihres eiferſuͤchtigen Bruders wegen, ſie nicht in Maienthal zu ſehen.
Unter dem Zoͤgern der Entzuͤckung ſchellet der zweite Schlitten. Die Eile noͤthigte ſie zum Muth — — Viktor verwandelte die Bitte in den Wunſch, daß der Fruͤhling die Abſicht ihrer Reiſe
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0396"n="386"/>
lig zum erſtenmale, zwei ſolche Herzen, ſie wie<lb/>
ein Engel der vom Himmel niederſank, er wie ein<lb/>
Seeliger, der aus der Erde auferſtand, um dem<lb/>
bloͤden Engel an das Herz zu fallen und mit ihm<lb/>ſprachlos in den Himmel zuruͤckzugehen . . . welche<lb/>
Szene! — O nur fuͤr euch, ihr ſchoͤnen Seelen, die<lb/>
ihr ſolche Szenen nie erlebt und doch verdient,<lb/>
mal' ich dieſe fort!. . . . Wie zwei Seelige vor<lb/>
Gott ſchauen ſie einander in die Augen und in die<lb/>
Seelen — wie ein Zephyr, den zwei ſchwankende<lb/>
Roſen fortſetzen, wehet zwiſchen den zitternden Lip¬<lb/>
pen der ſprachloſe Wonne Seufzer, von der Bruſt<lb/>
in ſchnellen Zuͤgen eingetrunken und freudig ſchau¬<lb/>
ernd in langen ausgezittert —ſie reden nicht, um<lb/>ſich anzublicken, ſie heben die Augen auf, um durch<lb/>
den Freudentropfen durchzuſehen, und ſenken ſie nie¬<lb/>
der, um ihn mit den Augenliede abzutrocknen. ..<lb/>
Nein, es iſt genug — o es iſt eine andere Thraͤne<lb/>
die jetzt druͤckend in dem ſchoͤnen Herzen liegt, das<lb/>ſchweigt und ſagen will: ich war niemals gluͤcklich<lb/>
und ich werd' es auch nie!</p><lb/><p>Viktor hatte ihr ſoviel zu ſagen und hatte ſo wenig<lb/>
Minuten mehr dazu: gleichwohl machte ihn nicht ſowohl<lb/>
die Freude als die Ehrfurcht ſtumm — denn heilig iſt<lb/>
dem liebenden Herzen die Geſtalt, die zu ihm geſagt<lb/>
hat: ich bin dein. — Denket aber nicht, er wollte<lb/>
etwan die rohe Bitte thun, ſeinetwegen da zu bleiben:<lb/>
nur die Frage, ob er ſie in <hirendition="#g">Maienthal</hi> beſuchen<lb/>
duͤrfe, nur die <hirendition="#g">Bitte</hi>, daß ſie fuͤr ihr Geneſen ſor¬<lb/>
ge, kann er wagen. Klotilde hatte nur Eine an ihn zu<lb/>
thun, die ſie nicht genug uͤberhuͤllen konnte: naͤm¬<lb/>
lich, ihres eiferſuͤchtigen Bruders wegen, ſie nicht<lb/>
in Maienthal zu ſehen.</p><lb/><p>Unter dem Zoͤgern der Entzuͤckung ſchellet der<lb/>
zweite Schlitten. Die Eile noͤthigte ſie zum Muth<lb/>—— Viktor verwandelte die <hirendition="#g">Bitte</hi> in den<lb/>
Wunſch, daß der <hirendition="#g">Fruͤhling</hi> die Abſicht ihrer Reiſe<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[386/0396]
lig zum erſtenmale, zwei ſolche Herzen, ſie wie
ein Engel der vom Himmel niederſank, er wie ein
Seeliger, der aus der Erde auferſtand, um dem
bloͤden Engel an das Herz zu fallen und mit ihm
ſprachlos in den Himmel zuruͤckzugehen . . . welche
Szene! — O nur fuͤr euch, ihr ſchoͤnen Seelen, die
ihr ſolche Szenen nie erlebt und doch verdient,
mal' ich dieſe fort!. . . . Wie zwei Seelige vor
Gott ſchauen ſie einander in die Augen und in die
Seelen — wie ein Zephyr, den zwei ſchwankende
Roſen fortſetzen, wehet zwiſchen den zitternden Lip¬
pen der ſprachloſe Wonne Seufzer, von der Bruſt
in ſchnellen Zuͤgen eingetrunken und freudig ſchau¬
ernd in langen ausgezittert — ſie reden nicht, um
ſich anzublicken, ſie heben die Augen auf, um durch
den Freudentropfen durchzuſehen, und ſenken ſie nie¬
der, um ihn mit den Augenliede abzutrocknen. ..
Nein, es iſt genug — o es iſt eine andere Thraͤne
die jetzt druͤckend in dem ſchoͤnen Herzen liegt, das
ſchweigt und ſagen will: ich war niemals gluͤcklich
und ich werd' es auch nie!
Viktor hatte ihr ſoviel zu ſagen und hatte ſo wenig
Minuten mehr dazu: gleichwohl machte ihn nicht ſowohl
die Freude als die Ehrfurcht ſtumm — denn heilig iſt
dem liebenden Herzen die Geſtalt, die zu ihm geſagt
hat: ich bin dein. — Denket aber nicht, er wollte
etwan die rohe Bitte thun, ſeinetwegen da zu bleiben:
nur die Frage, ob er ſie in Maienthal beſuchen
duͤrfe, nur die Bitte, daß ſie fuͤr ihr Geneſen ſor¬
ge, kann er wagen. Klotilde hatte nur Eine an ihn zu
thun, die ſie nicht genug uͤberhuͤllen konnte: naͤm¬
lich, ihres eiferſuͤchtigen Bruders wegen, ſie nicht
in Maienthal zu ſehen.
Unter dem Zoͤgern der Entzuͤckung ſchellet der
zweite Schlitten. Die Eile noͤthigte ſie zum Muth
— — Viktor verwandelte die Bitte in den
Wunſch, daß der Fruͤhling die Abſicht ihrer Reiſe
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/396>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.