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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

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der Musik. Aber sobald die Musik den letzten Athem
gezogen hatte: so setzte der harmonische Strichvogel
und Sturmläufer behend über das Chor hinaus und
sann unterweges tausend Ohren und einem einzigen
Ellbogen nach. Der Kantor konnt' ihn nicht riechen
und nicht kriegen.

Wenn er hingegen glücklicherweise mit seinen
Schachteln durch ein Dorf passirte, wo gerade Pfarr-
und Schulherr und pädagogischer Froschlaich eine
taube Leiche umquäckten und umkrächzeten, welches
viele noch kürzer eine Leichenmusik nennen: so konnte
der Virtuose, ohne Reakzion der Ellenbogen, mun¬
ter mit zwei Füßen mitten in die Motette hinein¬
springen -- das Trauer-Ständgen, das die Erben
dem Todten bringen, bearbeiten -- dem Leichenkon¬
dukt einige Finalkadenzen gratis zuwerfen und doch
noch im Dorfe dem Justitiar eine ganz neue Beutel¬
perücke anbieten. --

Unserem Helden machte die kanonische Musik
das größte satirische Vergnügen. Wir aber hätten
wenig davon, wenn ich nicht so gescheut wäre, daß
ich um die Erlaubniß nur zu einer elenden Extra¬
sylbe -- man soll sie kaum sehen -- über die Kir¬
chenmusik bettelte.

der Muſik. Aber ſobald die Muſik den letzten Athem
gezogen hatte: ſo ſetzte der harmoniſche Strichvogel
und Sturmlaͤufer behend uͤber das Chor hinaus und
ſann unterweges tauſend Ohren und einem einzigen
Ellbogen nach. Der Kantor konnt' ihn nicht riechen
und nicht kriegen.

Wenn er hingegen gluͤcklicherweiſe mit ſeinen
Schachteln durch ein Dorf paſſirte, wo gerade Pfarr-
und Schulherr und paͤdagogiſcher Froſchlaich eine
taube Leiche umquaͤckten und umkraͤchzeten, welches
viele noch kuͤrzer eine Leichenmuſik nennen: ſo konnte
der Virtuoſe, ohne Reakzion der Ellenbogen, mun¬
ter mit zwei Fuͤßen mitten in die Motette hinein¬
ſpringen — das Trauer-Staͤndgen, das die Erben
dem Todten bringen, bearbeiten — dem Leichenkon¬
dukt einige Finalkadenzen gratis zuwerfen und doch
noch im Dorfe dem Juſtitiar eine ganz neue Beutel¬
peruͤcke anbieten. —

Unſerem Helden machte die kanoniſche Muſik
das groͤßte ſatiriſche Vergnuͤgen. Wir aber haͤtten
wenig davon, wenn ich nicht ſo geſcheut waͤre, daß
ich um die Erlaubniß nur zu einer elenden Extra¬
ſylbe — man ſoll ſie kaum ſehen — uͤber die Kir¬
chenmuſik bettelte.

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[77/0087] der Muſik. Aber ſobald die Muſik den letzten Athem gezogen hatte: ſo ſetzte der harmoniſche Strichvogel und Sturmlaͤufer behend uͤber das Chor hinaus und ſann unterweges tauſend Ohren und einem einzigen Ellbogen nach. Der Kantor konnt' ihn nicht riechen und nicht kriegen. Wenn er hingegen gluͤcklicherweiſe mit ſeinen Schachteln durch ein Dorf paſſirte, wo gerade Pfarr- und Schulherr und paͤdagogiſcher Froſchlaich eine taube Leiche umquaͤckten und umkraͤchzeten, welches viele noch kuͤrzer eine Leichenmuſik nennen: ſo konnte der Virtuoſe, ohne Reakzion der Ellenbogen, mun¬ ter mit zwei Fuͤßen mitten in die Motette hinein¬ ſpringen — das Trauer-Staͤndgen, das die Erben dem Todten bringen, bearbeiten — dem Leichenkon¬ dukt einige Finalkadenzen gratis zuwerfen und doch noch im Dorfe dem Juſtitiar eine ganz neue Beutel¬ peruͤcke anbieten. — Unſerem Helden machte die kanoniſche Muſik das groͤßte ſatiriſche Vergnuͤgen. Wir aber haͤtten wenig davon, wenn ich nicht ſo geſcheut waͤre, daß ich um die Erlaubniß nur zu einer elenden Extra¬ ſylbe — man ſoll ſie kaum ſehen — uͤber die Kir¬ chenmuſik bettelte.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/87>, abgerufen am 21.11.2024.