eben so wenig und aus keinen geringern Gründen entbehren können als Löschenkohls seine. Die Em¬ pfindung erhebt zwar über die Schaam, sie zu zei¬ gen; aber er haßte und floh während seiner Empfin¬ dungen alle Aufmerksamkeit auf fremde Aufmerksam¬ keit, weil der Teufel in die besten Gefühle Eitelkeit einschwärzt man weis oft nicht wie. In der Nacht, im Schattenwinkel fallen Thränen schöner und verdünsten später.
Die Pfarrerin bestärkte ihn in allem: denn sie hatte heimlich -- in die Stadt geschickt und den Sohn invitirt und eine Ueberraschung im Garten ar¬ tistisch angelegt. --
Das Pfarr-Personale hob sich endlich in den be¬ laubten Konzertsaal und dachte nicht daran, wie sehr es von Le Bauts Hause verachtet werde, das nur edle Metalle und edle Geburt, nie edle Thaten für Entreebillets gelten ließ und daß die Pfarrleute als Freunde des Lords und Matthieu hoch, aber als Schooßhunde beider noch höher geschätzt hätte.
Was hätten solche zähe Leute nach Stamiz ge¬ fragt, da heute keine Fremde da waren, wenn nicht Klotildens Geburtsnacht gewesen wäre, die sich die¬ ses Gartenkonzert erbeten hatte. Stamiz und sein Orchester füllten eine illuminirte Laube -- das ade liche Auditorium saß in der nächsten hellsten Nische und wünschte, es wär' schon aus -- das bürgerliche
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eben ſo wenig und aus keinen geringern Gruͤnden entbehren koͤnnen als Loͤſchenkohls ſeine. Die Em¬ pfindung erhebt zwar uͤber die Schaam, ſie zu zei¬ gen; aber er haßte und floh waͤhrend ſeiner Empfin¬ dungen alle Aufmerkſamkeit auf fremde Aufmerkſam¬ keit, weil der Teufel in die beſten Gefuͤhle Eitelkeit einſchwaͤrzt man weis oft nicht wie. In der Nacht, im Schattenwinkel fallen Thraͤnen ſchoͤner und verduͤnſten ſpaͤter.
Die Pfarrerin beſtaͤrkte ihn in allem: denn ſie hatte heimlich — in die Stadt geſchickt und den Sohn invitirt und eine Ueberraſchung im Garten ar¬ tiſtiſch angelegt. —
Das Pfarr-Perſonale hob ſich endlich in den be¬ laubten Konzertſaal und dachte nicht daran, wie ſehr es von Le Bauts Hauſe verachtet werde, das nur edle Metalle und edle Geburt, nie edle Thaten fuͤr Entreebillets gelten ließ und daß die Pfarrleute als Freunde des Lords und Matthieu hoch, aber als Schooßhunde beider noch hoͤher geſchaͤtzt haͤtte.
Was haͤtten ſolche zaͤhe Leute nach Stamiz ge¬ fragt, da heute keine Fremde da waren, wenn nicht Klotildens Geburtsnacht geweſen waͤre, die ſich die¬ ſes Gartenkonzert erbeten hatte. Stamiz und ſein Orcheſter fuͤllten eine illuminirte Laube — das ade liche Auditorium ſaß in der naͤchſten hellſten Niſche und wuͤnſchte, es waͤr' ſchon aus — das buͤrgerliche
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eben ſo wenig und aus keinen geringern Gruͤnden
entbehren koͤnnen als Loͤſchenkohls ſeine. Die Em¬
pfindung erhebt zwar uͤber die Schaam, ſie zu zei¬
gen; aber er haßte und floh waͤhrend ſeiner Empfin¬
dungen alle Aufmerkſamkeit auf fremde Aufmerkſam¬
keit, weil der Teufel in die beſten Gefuͤhle Eitelkeit
einſchwaͤrzt man weis oft nicht wie. In der
Nacht, im Schattenwinkel fallen Thraͤnen ſchoͤner
und verduͤnſten ſpaͤter.
Die Pfarrerin beſtaͤrkte ihn in allem: denn ſie
hatte heimlich — in die Stadt geſchickt und den
Sohn invitirt und eine Ueberraſchung im Garten ar¬
tiſtiſch angelegt. —
Das Pfarr-Perſonale hob ſich endlich in den be¬
laubten Konzertſaal und dachte nicht daran, wie
ſehr es von Le Bauts Hauſe verachtet werde, das
nur edle Metalle und edle Geburt, nie edle Thaten
fuͤr Entreebillets gelten ließ und daß die Pfarrleute
als Freunde des Lords und Matthieu hoch, aber als
Schooßhunde beider noch hoͤher geſchaͤtzt haͤtte.
Was haͤtten ſolche zaͤhe Leute nach Stamiz ge¬
fragt, da heute keine Fremde da waren, wenn nicht
Klotildens Geburtsnacht geweſen waͤre, die ſich die¬
ſes Gartenkonzert erbeten hatte. Stamiz und ſein
Orcheſter fuͤllten eine illuminirte Laube — das ade
liche Auditorium ſaß in der naͤchſten hellſten Niſche
und wuͤnſchte, es waͤr' ſchon aus — das buͤrgerliche
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/93>, abgerufen am 21.11.2024.
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