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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

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saß entfernter und der Kaplan flocht aus Furcht vor
dem katarrhalischen Thau-Fußboden ein Bein ums
andre über die Schenkel -- Klotilde und ihre Aga¬
the ruhten in der dunkelsten Blätterloge. Viktor
schlich sich nicht eher ein als bis ihm die Ouvertüre
den Sitz und das Sitzen der Gesellschaft ansagte; in
der fernsten Laube, im wahren Aphelio nahm dieser
Barkkomet Platz. Die Ouvertüre bestand aus jenem
musikalischen Gekrizel und Geschnörkel -- aus jener
harmonischen Phraseologie -- aus jenem Feuerwerks¬
geprassel enharmonischer, dissonierender Passagen,
welches ich so erhebe, wenn es nirgends ist als in
der Ouvertüre. Dahin passet es; es ist der Staub¬
regen, der das Herz für die großen Tropfen der ein¬
fachern Töne aufweicht. Alle Empfindungen in der
Welt bedürfen Exordien; und die Musik bahnet der
Musik den Weg -- oder die Thränenwege.

Stamiz stieg -- nach einem dramatischen Plan,
den sich nicht jeder Kapellmeister entwirft -- allmäh¬
lig aus den Ohren in das Herz, wie aus Allegro's
in Adagio's: dieser große Komponist geht in immer
engern Kreisen um die Brust, in der ein Herz ist,
bis er sie endlich erreicht und unter Entzückungen
umschlingt.

Horion zitterte einsam, ohne seine Geliebten zu
sehen, in einer finstern Laub-Rotunda, in welche ein
einziger verdorrter Zweig das Licht des Mondes und

ſaß entfernter und der Kaplan flocht aus Furcht vor
dem katarrhaliſchen Thau-Fußboden ein Bein ums
andre uͤber die Schenkel — Klotilde und ihre Aga¬
the ruhten in der dunkelſten Blaͤtterloge. Viktor
ſchlich ſich nicht eher ein als bis ihm die Ouvertuͤre
den Sitz und das Sitzen der Geſellſchaft anſagte; in
der fernſten Laube, im wahren Aphelio nahm dieſer
Barkkomet Platz. Die Ouvertuͤre beſtand aus jenem
muſikaliſchen Gekrizel und Geſchnoͤrkel — aus jener
harmoniſchen Phraſeologie — aus jenem Feuerwerks¬
gepraſſel enharmoniſcher, diſſonierender Paſſagen,
welches ich ſo erhebe, wenn es nirgends iſt als in
der Ouvertuͤre. Dahin paſſet es; es iſt der Staub¬
regen, der das Herz fuͤr die großen Tropfen der ein¬
fachern Toͤne aufweicht. Alle Empfindungen in der
Welt beduͤrfen Exordien; und die Muſik bahnet der
Muſik den Weg — oder die Thraͤnenwege.

Stamiz ſtieg — nach einem dramatiſchen Plan,
den ſich nicht jeder Kapellmeiſter entwirft — allmaͤh¬
lig aus den Ohren in das Herz, wie aus Allegro's
in Adagio's: dieſer große Komponiſt geht in immer
engern Kreiſen um die Bruſt, in der ein Herz iſt,
bis er ſie endlich erreicht und unter Entzuͤckungen
umſchlingt.

Horion zitterte einſam, ohne ſeine Geliebten zu
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einziger verdorrter Zweig das Licht des Mondes und

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[84/0094] ſaß entfernter und der Kaplan flocht aus Furcht vor dem katarrhaliſchen Thau-Fußboden ein Bein ums andre uͤber die Schenkel — Klotilde und ihre Aga¬ the ruhten in der dunkelſten Blaͤtterloge. Viktor ſchlich ſich nicht eher ein als bis ihm die Ouvertuͤre den Sitz und das Sitzen der Geſellſchaft anſagte; in der fernſten Laube, im wahren Aphelio nahm dieſer Barkkomet Platz. Die Ouvertuͤre beſtand aus jenem muſikaliſchen Gekrizel und Geſchnoͤrkel — aus jener harmoniſchen Phraſeologie — aus jenem Feuerwerks¬ gepraſſel enharmoniſcher, diſſonierender Paſſagen, welches ich ſo erhebe, wenn es nirgends iſt als in der Ouvertuͤre. Dahin paſſet es; es iſt der Staub¬ regen, der das Herz fuͤr die großen Tropfen der ein¬ fachern Toͤne aufweicht. Alle Empfindungen in der Welt beduͤrfen Exordien; und die Muſik bahnet der Muſik den Weg — oder die Thraͤnenwege. Stamiz ſtieg — nach einem dramatiſchen Plan, den ſich nicht jeder Kapellmeiſter entwirft — allmaͤh¬ lig aus den Ohren in das Herz, wie aus Allegro's in Adagio's: dieſer große Komponiſt geht in immer engern Kreiſen um die Bruſt, in der ein Herz iſt, bis er ſie endlich erreicht und unter Entzuͤckungen umſchlingt. Horion zitterte einſam, ohne ſeine Geliebten zu ſehen, in einer finſtern Laub-Rotunda, in welche ein einziger verdorrter Zweig das Licht des Mondes und

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/94>, abgerufen am 21.11.2024.